Der Pfeiler der Gerechtigkeit - Cover

Süße Brote und bittere Pillen

Der Pfeiler der Gerechtigkeit von Johanna von Wild

Würzburg, 1574. Kurz nach dem Tod des Vaters heiratet Simons Mutter ein zweites Mal. Sie zieht mit ihren beiden Kindern zu Melchior, einem Bäcker, der Simon als Lehrling aufnimmt. Sein Sohn Wulf arbeitet dort ebenfalls mit und überlässt dem jüngeren Simon gerne die Arbeiten, die ihm keinen Spaß machen. Immer wieder geraten die beiden in Streit, bis es eines Tages zu einem heftigen Vorfall kommt. Simon verlässt mit einem Handelszug seine Heimat in Richtung Venedig. Er findet ein neues Zuhause und wird Zuckerbäcker. Mit der Tochter seines Lehrherren gründet er eine Familie. Viele Jahre später reist Simon zurück nach Würzburg. Dort entdeckt er, dass einige Dinge nicht so sind, wie sie von anderen gerne vorgegeben werden.

Johanna von Wild widmet sich in ihrem dritten historischen Roman der Gesellschaft im 16. Jahrhundert. Als Schauplatz hat sie dafür Würzburg ausgewählt. Dort regierte seinerzeit der Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn. Ihn bezeichnete man viele Jahre als Hexenbrenner. In diesem Roman kommt aber eine weitere Seite seiner Persönlichkeit hervor: Er war durchaus ein Mann, der Gerechtigkeit forderte und diese auch durchsetzte. Er begründete weiterhin das heute noch bestehende Julius-Spital, wo er innovative Änderungen der bisher üblichen Arbeitsweisen einführte. Die fiktive Figur des Simons lässt die Leser ganz nah an den mächtigen Mann herankommen. Dieser hat in diesem Roman nämlich eine Vorliebe für süßes Gebäck, das der Zuckerbäcker ins Spital lieferte. Die beiden verbindet bald eine Vertrautheit, die Simon bei seinem Kampf ums Erbe unterstützt. Während des gewählten Zeitraums spiegelt sich die Historie glaubhaft wider.

Gesellschaft im 16. Jahrhundert

Ebenfalls gibt der Roman einen plastischen Einblick in die damalige Gesellschaft. Das Handwerk wurde durch Erbe oder Heirat abgesichert. Es wurde mehr Wert darauf gelegt, dass man versorgt war, als auf die Harmonie im Zwischenmenschlichen. So heiratet Simons Mutter relativ schnell nach dem Tod ihres ersten Mannes den Bäcker Melchior. Ihr verstorbener Mann war Bildhauer und hinterließ lediglich ein paar Steine und Werkzeug. Einfluss auf die Behandlung ihres eigenen Sohnes hatte sich danach nicht mehr. Ihre Rolle war es, den Haushalt zu führen und ihre Tochter auf ebendiese Tätigkeit vorzubereiten.


Anläßlich der Nominierung zur Verleihung des Goldenen Homers habe ich mit Johanna von Wild ein Interview geführt. Außerdem ist auf Youtube ein Video mit einer Lesung verfügbar. Klickt euch rein!

Podcast


Simons Werdegang führt ihn nach Italien, wo gerade in der Zuckerbäckerei anders gearbeitet wurde als im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Simon lernt dort auch eine andere Form des familiären Zusammenhalts kennen. Seine Frau Carlotta hat eine intensivere Bindung zu ihren Angehörigen als es der junge Mann je kennengelernt hat. Sie agiert auch deutlich temperamentvoller und entspricht der gängigen Vorstellung einer Südländerin. Die Verknüpfung von beiden Handlungen erzeugt eine stetig ansteigende Spannung. Die Geschichte wird in einem passenden Erzähltempo erzählt und lässt die frühe Neuzeit farbig erscheinen.

Der Pfeiler der Gerechtigkeit zeigt anhand einer fiktiven Familiengeschichte das Leben einer vergangenen Zeit. Verbunden wird die Fiktion mit historisch verbrieften Ereignissen unter der Herrschaft von Fürstbischof Julius Echter. Sein Wirken veränderte Würzburgs Bedeutung in Bezug auf das Julius-Spital und der Universität. Später machte er leider auch mit unschönen Befehlen von sich reden, die in dieser Erzählung allerdings keine Rolle spielen. Der Roman erhält eine unbedingte Leseempfehlung.

Leseprobe

Johanna-von-Wild - Autorin Porträt
Bildrechte: privat

Johanna von Wild alias Biggi Rist wurde 1964 in Reutlingen geboren. Nach der Ausbildung an der Naturwissenschaftlich-Technischen Akademie in Isny/Allgäu arbeitete sie in der medizinischen Labordiagnostik und in der Forschung. Sie publizierte als Co-Autorin wissenschaftliche Arbeiten und schrieb schon als Siebenjährige Geschichten. Nach zwei Jahren im australischen Melbourne zog sie nach Lilienthal. Insgesamt veröffentlichte sie sieben Kriminalromane, gemeinsam mit Liliane Skalecki, bevor sie zum Genre des historischen Romans wechselte. Nach »Die Erleuchtung der Welt« und »Der Getreue des Herzogs« erscheint nun mit »Der Pfeiler der Gerechtigkeit« ihr neuer Roman um den umstrittenen Fürstbischof Julius Echter. (Quelle: Gmeiner Verlag)


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  • Herausgeber: ‎Gmeiner-Verlag
  • erschienen am 7. Juli 2021
  • Taschenbuch: ‎474 Seiten
  • ISBN-13: ‎978-3839200124

Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Gmeiner Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.

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