1774 - Als die jungen Genies die Freiheit suchten

Alltag bei Goethes

1774 – Als die jungen Genies die Freiheit suchten von Francesca Schmidt

Als in der Schule die Klassiker von Goethe und Schiller gelesen wurden, empfanden die meisten meiner Mitschüler die Texte als schwer verständlich. Das waren sie sicher auch. Ich hätte dem jungen Werther am liebsten das Reclamheft um die Ohren gehauen, damit er aus der großen Wanne des Selbstmitleids mal wieder aussteige. Im Laufe der Zeit und in kleinen Abschnitten gewannen die Schriften aber immer mehr an Bedeutung. Als im Südverlag nun der Roman von Francesca Schmidt über das Jahr 1774 erschien, war ich neugierig, was sich im Alltag der jungen Genies abspielte.

1774 - Zeitungsartikel Mariage Game

Im Mittelpunkt der Epoche von Sturm und Drang steht natürlich Johann Wolfgang von Goethe, den heute noch bedeutendsten deutschen Dichter. Ihn lernen wir im heimischen Frankfurt kennen. Der damals 25-jährige vertrieb sich die Zeit nicht nur mit einsamen Schreiben, wie man anhand seiner vielen Romane und Briefe vermuten könnte. Vielmehr nahm er am Leben teil und genoss selbiges. Man liest vom Schlittschuhlaufen, von geselligen Rheinfahrten und immer wieder von durchfeierten Nächten. Seine derzeit aktuelle Veröffentlichung war Götz von Berlichingen, auf dessen Kritik er nun wartete. Auch die Leiden des jungen Werther sollten 1774 entstehen. Die Autorin hat seine Tage im besagten Jahr akribisch recherchiert. Sie zieht Schlüsse über Meinungsverschiedenheiten und Begehren aus verschiedenen Briefen und legt so ein ganzes Jahr offen.

1774 - Theaterkarten

Die Sturm und Drang-Zeit wird in diesem Roman komplex beschrieben. Der Schreibstil ist eingängig und lässt den Leser als stiller Zuschauer dabei sein. Es wird von Differenzen der jungen Genies berichtet und von Freundschaften. 250 Jahre später hätten vermutlich alle eine Sammelkarte für Reisemeilen und wären auf mehreren sozialen Netzwerken aktiv an Diskussionen beteiligt. In ihrer Zeit waren sie alle Vorreiter und hatten sich zum Ziel gesetzt, die Welt zu verändern. Beschäftigt man sich mehr mit Zeit und Menschen, kommt unweigerlich der Gedanke, dass ich dem Werther Unrecht tat. Er lebte seine Gefühle als Zeichen seiner Jugend und des empfundenen Schmerzes. Im Epilog erfährt man, wie einige Vorhaben abgeschlossen wurden, aber auch, welche Paare keine gemeinsamen Wege mehr gingen. Die Hintergründe zu den bekannten Klassikern sind in jedem Fall aufschlussreich.

1774 - Bekanntmachung Reise Italien

Mit 1774 – Als die jungen Genies die Freiheit suchten zeigt Francesca Schmidt das Leben der bekanntesten Dichter Deutschlands im 18. Jahrhundert. Sie zeigt damit einen lückenlosen Ablauf des Jahres, in dem Johann Wolfgang von Goethe sein bekanntestes Werk schrieb. Dass die heute so bedeutenden Köpfe der Literatur auch einen ganz normalen Alltag hatten, kann man sich nach der letzten Seite nur zu genau vorstellen.

Leseprobe

Simone Francesca Schmidt, Dr. phil., 1976 in Idar-Oberstein geboren, studierte Germanistik, evangelische Theologie und Pädagogik in Trier, Koblenz und Mainz und unterrichtet heute an einem Gymnasium in Rheinland-Pfalz. Im Jahr 2010 hat sie über Mord und Selbstmord im Werk des Sturm- und Drang-Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz promoviert. Ihre Begeisterung für die Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, v.a. für die Epoche des Sturm und Drang, als die Dichter in Deutschland die Freiheit suchten, lebt sie als Autorin wie als Lehrerin. (Quelle: Südverlag Verlag)


#Anzeige#

  • Herausgeber: ‎Südverlag
  • erschienen am 7. März 2022
  • Gebundene Ausgabe: ‎296 Seiten
  • ISBN-13: ‎978-3878001553

Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Südverlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..