Das Jahrhundertversprechen von Richard Dübell
Der erste Weltkrieg ist zu Ende und Otto von Briest betreibt zusammen mit seiner Ehefrau Hermine in Berlin eine Detektei. Der Wirtschaft geht es nicht gut und das merken auch die Gutsleute. Als Otto von der Filmindustrie angesprochen wird, einen Kriminalfilm auf Fehler zu untersuchen, nimmt er das Angebot gerne an. Auch seine Tochter Luisa hofft auf eine Rolle beim Film. Der ehemalige Gassenjunge Max ist nach einem Ereignis, das Luisa das Leben rettete, als Ziehsohn bei den von Briests aufgenommen. Max entdeckt seine Leidenschaft für Autorennen. Dort macht er Bekanntschaft mit Sigurd von Cramm, dem Sohn des benachbarten Guts. Zwischen ihnen entsteht eine gefährliche Rivalität, die sich in den unsicheren Zeiten der Politik nochmals zuspitzt. Durch die regional gefärbten Dialekte bekommen die Dialoge obendrein den Flair der pulsierenden Reichshauptstadt.
Der Abschluss der Jahrhundert-Trilogie um die Adelsfamilie von Briest verknüpft Richard Dübell mit den Anfängen des Motorsports. Zwischen den Kriegen wurden aus Transportfahrzeugen private Automobile, die der Bequemlichkeit dienten und eben auch einen Geschwindigkeitsrausch hervorriefen. Max ist ein begabter Fahrer und so lernt der Leser nach und nach alle Modelle und die neu eröffnete Rennstrecke AVUS kennen. Platziert wurde dieser Teil der Handlung vor den Wirren der Weimarer Republik, die anfangs nach Lösungen für den Neuaufbau Deutschlands suchte und dann nach und nach von den Nationalsozialisten überschattet wurden. Die Figuren wurden dabei strategisch gut platziert, sodass man immer einen bekannten Namen hatte, mit dem man die Gedanken plausibel verfolgen konnte. Dübell stellt die Vorgänge so dar, wie sie tatsächlich passiert sein können, obwohl seine Hauptfiguren fiktiv sind. Er berichtet von der Ermordung Rathenaus, dessen Personenschutz eigentlich Otto gehabt hätte. Aber natürlich trafen die Schüsse an seinem freien Tag ins Ziel.
Bereits in den beiden Vorgängern hatte ich die ausdrucksstarke Erzählweise gelobt. Hier steigerte sie sich noch. Die rund 650 Seiten lesen sich im Nu und viel zu schnell musste ich das Berlin der 20er Jahre wieder verlassen. Alle aufgenommenen Fäden wurden nach fast einem Jahrhundert verknotet. Ein wenig freut man sich, dass die jahrzehntelange Familienfehde nun endlich vorbei ist, aber gleichzeitig weiß man ja auch, was in naher Zukunft mit eben diesen Gutshöfen passiert. Schnelle Wechsel zwischen den Handlungssträngen lassen das Erzähltempo ansteigen. Eigentlich darf das bei einem solchen Thema auch nicht anders sein, wo auch der Motorsport durch den Einsatz von Kompressoren ungeahnte Geschwindigkeitsrekorde feiert. Die Feierlaune wird allerdings immer wieder mit dem Auftauchen der SA gebremst. Die Zeit zwischen Weihnachten 1918 bis 1928 wird ungeschönt wiedergegeben. Erst der Epilog lässt erahnen, was bis 1934 noch geschieht.
Mehr hätte es für mich auch nicht sein müssen. Alle wichtigen Ereignisse des Jahrhunderts sind zwischen Otto von Bismarck und der Machtübernahme der NSDAP zu einer wunderschön lesbaren Familiengeschichte verpackt worden. Kenntnisse der Vorgänger Der Jahrhundertsturm und Der Jahrhundertraum sind nicht zwingend erforderlich. Wer sie bereits gelesen hat, hat lediglich ein umfangreicheres Wissen um die Familiengeschichte, was meines Erachtens aber den Lesespaß erhöht. Historisch exakt recherchiert und spannend aufbereitet, gehört diese Trilogie schon jetzt zu meinen Lieblingsbüchern.

© Christine Lang
Richard Dübell, geboren 1962, lebt mit der Liebe seines Lebens in Landshut. Er zählt zu den beliebtesten deutschsprachigen Autoren historischer Romane, schreibt aber auch Krimis. Seine Bücher standen mehrfach auf der Spiegels-Bestsellerliste und wurden in vierzehn Sprachen übersetzt. Er ist Kulturpreisträger seiner Heimatstadt. (Quelle: Ullstein-Verlag)
#Anzeige#
- Historischer Roman
- Taschenbuch, Klappenbroschur, 656 Seiten
- ISBN-13 9783548289663
- Erschienen: 08.06.2018
- Ullstein-Verlag
Ein Gedanke zu “Mit Pferdestärken durch die Weimarer Republik”