Familiengeheimnis und historischer Reisebericht

Die vergessene Burg von Susanne Goga

Paula Cooper lebt in Hertfordshire bei ihrer Tante Harriet. Diese ist kränklich und benötigt die junge Frau als Gesellschafterin. Durch einen Zufall entdeckt sie einen an sie gerichteten Brief aus Bonn. Darin bittet sie Onkel Rudy um ein Wiedersehen. Er sei der Bruder ihres Vaters und habe nur noch kurze Zeit zu leben. Paula ahnt, dass es ein Familiengeheimnis geben muss, da sie nie vom Bruder ihres Vaters gehört hatte. Ihre Mutter Margaret schwieg beharrlich über die Ereignisse vor 30 Jahren. Paula macht sich auf die Reise an den Rhein, um mehr über ihre Familiengeschichte zu erfahren.

Susanne Goga führt ihre Leser mit diesem historischen Roman ins 19. Jahrhundert an den Rhein. Es sind erst wenige Jahre vergangen, seit Heinrich Heine sein Gedicht über die Loreley veröffentlichte. Die belesene Paula ist ebenfalls davon fasziniert. Die 32-jährige ist an der Welt interessiert, wurde aber von ihrer Mutter ins abgelegene Kings Langley geschickt, wo sie sich seit zwölf Jahren um ihre hypochondrische Verwandte kümmert. Ihr Horizont ist dementsprechend eingegrenzt. Paula wuchs bei ihrer Mutter in London auf. Der Vater, so wurde ihr erzählt, ist vor 30 Jahren verstorben. Die Details waren ihr bis dahin nicht bekannt. So überraschte es sie, dass sie plötzlich einen Brief fand, in dem ihr Onkel sie um einen letzten Besuch bittet. Damit wird ein langgehegtes Geheimnis gelüftet, das Paulas Ansicht auf die Welt nachhaltig verändert.

Die Autorin aus Mönchengladbach kennt die Gegend des Siebengebirges seit früher Kindheit. Sie nutzt dieses Wissen, um die Reise der Protagonistin authentisch zu beschreiben. In der Zeit um 1837 entdeckten vor allem Engländer die Schönheit des Rheins und es bildete sich eine britische Kolonie in Bonn. Sie lässt Paula die Reiseroute ihres Vaters folgen. Spannung erzeugt sie, indem mehr und mehr Details der damaligen Ereignisse aufgedeckt werden. Was als ruhiges Gesellschaftsporträt begann, bekommt durch die Ungereimtheiten Elemente eines Kriminalfalls. Die Nachforschungen führen ab und zu ins Leere, sodass genügend Wendungen das Interesse wach halten. Zudem gönnt man Paula nach einem ereignislosen Leben in England ein bisschen Romantik mit dem Fotografen Trevor.

Bildhaft und authentisch

Die Epoche wird lebendig reproduziert. Die damaligen Werte und Auffassungen werden durch Paula in Frage gestellt und sie ist gleichbedeutend mit dem Aufbruch der Frauen in eine erweiterte Selbstbestimmung. Paula achtet auf Anstand, traut sich aber auch alleine eine Menge zu. Unterstützt wird sie von einem weltoffenen Onkel, der allerdings ernsthaft erkrankt ist und sie wohl nicht mehr lange begleiten kann. Gemeinsam setzen sie aus verbliebenen Briefen und Aussagen von Zeitzeugen die Reise des Vaters zusammen, die die Grundlage für die Suche bildet. Von Station zu Station erkennt Paula deutlicher, dass sie einem Geheimnis auf der Spur ist, das ihre Mutter vor ihr verschleiern wollte. Gleichzeitig hat man beim Lesen Verständnis für alle Seiten.

Der historische Roman ist ein ruhiger Schmöker, der die Epoche der Romantik rund um den Drachenfels nachfühlbar beschreibt. Die der Zeit angepasste Sprache versetzt den Leser in eine vergangene Zeit. Das Erzähltempo nimmt fast unmerklich zu, sodass man sich vor allem zum Ende hin, Lesezeit reservieren sollte. Aus der Hand legen kann man es irgendwann nicht mehr. Erst im Nachhinein wird die Anlehnung an Heines Gedicht erkennbar. Von der Ahnungslosigkeit bis zum allesverschlingenden Strudel ist auch in dieser Handlung alles dabei.

Leseprobe

© Myriam Topel




Susanne Goga, 1967 geboren, ist eine renommierte Literaturübersetzerin und SPIEGEL-Bestsellerautorin. Sie wurde mit dem DELIA-Literaturpreis sowie dem Goldenen Homer ausgezeichnet und ist seit 2016 Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Mönchengladbach. (Quelle: Randomhouse)



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  • Taschenbuch: 448 Seiten
  • Verlag: Diana Verlag
  • erschienen am 10. September 2018
  • ISBN-13: 978-3453359727

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