Als der Sturm kam - Cover, Fotoaufnahmen Sturmflut 1962

Hamburg überflutet – Naturgewalt von 1962

Als der Sturm kam von Anja Marschall

Hamburg, 1962. Am 16. Februar schüttet es wie aus Eimern. Die Hamburger wurden am Vormittag bereits vor einem aufziehenden Orkan gewarnt, am Abend vor einem mittleren Hochwasser. Eine unmittelbare Gefährdung konnte daraus nicht ersehen werden. An hohe Wasserpegelstände war man gewöhnt und man vertraute auch den Deichen. Als das Sturmtief Vincinette eine Sturmflut an der Nordseeküste auslöste und das Hochwasser in der Elbe auf 3,5 Meter über dem mittleren Hochwasser anstieg, wurde gegen 21 Uhr der Alarm ausgelöst. Für die Bewohner der elbnahen Gebiete wie Finkenwerder, die Veddel und Wilhelmsburg war das zu spät. Dort sollten wenig später die Deiche brechen und die Flutwelle alles wegspülen, was die Menschen zum Leben hatten. Es war kalt, nass und stürmisch. Am 18. Februar 1962 hatten die Hamburger 315 Todesopfer zu beklagen. Die Sturmflut von 1962 zählt zur größten Naturkatastrophe der Nachkriegszeit.

Anja Marschall zeigt in ihrem aktuellen Roman Als der Sturm kam eine außergewöhnliche Sicht auf die Ereignisse. Ihre Hauptfiguren platziert sie dabei unter den Bewohnern einer Laubenkolonie in Wilhelmsburg, dem Krisenstab und den Rettern vom THW und SAR. Sie verwebt Historie rund um die Rettung der Menschen mit einigen fiktiven Handlungssträngen. Mit den Figuren erlebt der Leser, wie sich die Menschen damals vermutlich gefühlt haben. Zum einen ist da die Schreibkraft Marion, die mit ihrer bettlägerigen Mutter in der Laubenkolonie wohnt. Am Abend des Sturms haben die beiden Streit und Marion kehrt noch einmal ins Büro zurück. So ist sie von der ersten Sekunde dabei, als sich der Krisenstab bildet. Aus erster Hand erfährt nun auch der Leser, welche Entscheidungen getroffen werden mussten, damit den mehr als 20.000 Menschen geholfen werden konnte. Nicht nur folgen wir ihr mit dem Senat und der Polizei durch die Nacht, sondern fühlen auch mit ihr, wenn sie sich um ihre Mutter und Nachbarn sorgt.

Podcast

Die Helfer bekommen in diesem Roman ebenfalls eine große Bühne. Dieter, einer der Nachbarn von Marion, ist beim Technischen Hilfswerk. Auch er ist nahezu von der ersten Minute dabei. Durch ihn erleben wir, wie sich die Lastwagen durch die immer höher überfluteten Straßen bahnen. Interessant ist auch Georg, der als Hubschrauberpilot der SAR vom Stützpunkt Fassberg über das Katastrophengebiet flog, um den Menschen aus der Luft zu helfen. Marschalls Schreibstil hat mich dabei so in die Geschichte gezogen, dass ich mit den Figuren mitgefiebert habe. Dabei hält sie sich streng an die tatsächlichen Ereignisse und ich kannte die Zahlen der Opfer schon vorher.

Als der Sturm kam - Bilder vom Tümlauer Koog 1962
Privatfotos von Kerstin (Kerstins Kartenwerkstatt)

Mehr zum Thema Sturmflut liest du übrigens auf Kerstins Blog. Bücherheike hat die Umgebung, insbesondere Wilhelmsburg, unter die Lupe genommen. Bei Elizas Bücherparadies findet ihr mehr zum Hauptquartier des Krisenstabs und Angélique bringt uns die Helfer von THW und SAR näher. Die direkten Verlinkungen findet ihr unter der Rezension.

Wahres Ereignis mit Spannungsbogen erzählt

Die drei Tage der Flut bilden den Rahmen für einige persönliche Schicksale. Nicht alle enden tragisch. Der junge Innensenator Helmut Schmidt beweist in dieser Zeit sein Talent als Krisenmanager. Die Fakten sind akribisch recherchiert und erzählen eine ergreifende Geschichte rund um das Schicksal der Hamburger. Sie informiert über die Abläufe, indem sie historische Charaktere auftreten lässt und mit dem Schicksal fiktiver Figuren verwebt. Heraus kommt ein emotionaler Roman, der die Erinnerung an die dramatischen Ereignisse zum Leben erweckt.

Der Roman Als der Sturm kam lässt die Tage vom 16. bis 18. Februar 1962 lebendig werden. Detailgenau erzählt Anja Marschall die Ereignisse der Hamburger Sturmflut. Dabei zieht sie den Spannungsbogen immer höher, wie es in einem Krimi üblich wäre. Stellvertretend für die vielen Betroffenen hat sie einige fiktive Figuren erschaffen, mit denen wir mitleiden können. Der Roman ist der zweite Band der fünfteiligen Reihe Schicksalsmomente der Geschichte aus dem Piper Verlag. Die Sturmflut gehört dort definitiv hinein. Und ihr ahnt es schon … unbedingt lesen.


Agenda Blogtour Als der Sturm kam

Zu diesem Buch gibt es eine Blogtour. Vom 8. bis 13. Januar lest ihr sechs Beiträge, die sich rund um die Sturmflut drehen. Kerstins Familie war dabei sogar persönlich betroffen. Ihr erfahrt weiterhin etwas über den Stadtteil Wilhelmsburg, den Helfern, den Verantwortlichen beim Krisenstab, den Charakteren und ich habe ein ausführliches Interview mit Anja Marschall geführt. Hört es euch im Podcast an.

Blogtour:

  1. Kerstins Kartenwerkstatt – Naturkatastrophe Sturmflut 1962
  2. Bücherheike – Schauplatz Wilhelmsburg
  3. Frau Goethe liest – Autoreninterview
  4. Ullas Leseecke – Charaktere
  5. Elizas Bücherparadies – Der Krisenstab
  6. Angeliques Leseecke – Die Helfer

Als der Sturm kam - Cover - Hörbahn on Stage

Auch beim Literaturradio Hörbahn haben wir über das Buch gesprochen. Dort las Anja auch eine halbe Stunde aus „Als der Sturm kam“. Im Anschluss sprach ich dann mit ihr noch eine Stunde über das Buch, die Sturmflut und weitere Dinge, die uns einfielen. Co-Moderator war Uwe Kullnick. Klickt mal auf die Homepage vom Literaturradio. Vielleicht findet ihr noch andere Beiträge, die euch gefallen.

Leseprobe


© Frauke Ibs

Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt als Autorin und Journalistin mit ihrer Familie in Schleswig-Holstein. Vor ihrer schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete sie als Erzieherin, Pressereferentin, Lokaljournalistin, EU-Projektleitung in der Sozialforschung, war Apfelpflückerin in Israel, Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel und Kioskverkäuferin an den Hamburger Landungsbrücken. Sie ist Mitglied der „Mörderischen Schwestern e.V.“ und des „Syndikats“ sowie der Mary-E-Braddon-Gesellschaft. (Quelle: Piper Verlag)


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  • Herausgeber: ‎Piper Taschenbuch
  • erschienen am 11. Januar 2024
  • Taschenbuch: ‎448 Seiten
  • ISBN-13: ‎978-3-492-06420-0

Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Piper Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.

Die Bilder vom Titelbild und weitere könnt ihr auf der Webseite der Stadt Hamburg einsehen. Sie wurden vom Denkmalschutzamt, vom Museum für Hamburgische Geschichte und Privataufnahmen zusammengetragen.

5 Gedanken zu “Hamburg überflutet – Naturgewalt von 1962

  1. Kerstin schreibt:

    Danke für das spannende Interview. Bei meinen Großeltern war 1962 auch immer wieder Gesprächsthema und jeder konnte genau sagen was er wann gemacht hat. Was Anja erzählt kann ich da nur bestätigen. Die Generation, die das Drama in Hamburg oder bei uns oben an der Küste live mitbekommen hat, hat immer wieder davon erzählt. Inzwischen ist überlappen die Stürme von 2013 ein wenig das Geschehen von 1962, weil das einfach bei mehr Leuten im Gedächtnis ist.
    Ich bin von dem Buch immer noch geflasht. Deine Zusammenfassung finde ich da ganz passend: spannende wie ein Krimi mit einer berührenden Geschichte.
    LG Kerstin

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    • Frau.Goethe.liest schreibt:

      Der Sturm nimmt einen einfach mit von der Deutschen Bucht bis nach Hamburg. 🙂
      Vielen Dank für deine persönlichen Einblicke, die du im ersten Beitrag der Blogtour gegeben hast. Ich finde, sie bereichern ungemein. Wenn man selbst betroffen war, hat man bestimmt noch einen ganz anderen Bezug zum Buch. Morgen kommt ja noch ein längeres Interview mit Anja auf Literaturradio Hörbahn. Da steckt dann ordentlich viel Mensch drin.

      Gefällt 1 Person

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