Blätterwald der Literatur - Titelbild mit 10 Covern

Blätterwald der Literatur

Zehn Kandidaten mitten im Blätterwald und mehrere Prüfungen fordern sie heraus: Wer denkt jetzt an eine populäre TV-Show, in der es teilweise eklig wird? Hier geht es um Bücher. Das kann nur angenehm sein. Der Blätterwald der Literatur stellt zehn Titel aus den Genres Krimi, Historischer Roman und Belletristik vor und prüft sie auf ihre Stärken und Schwächen. Die Buchvorstellungen findet ihr täglich auf TikTok. Die dazugehörige Linksammlung könnt ihr in diesem Beitrag nachlesen.

Aus Erfahrung weiß ich natürlich, dass Bücher im feuchtwarmen Klima des Dschungels unter harten Bedingungen kämpfen. Manche rollen sich direkt am Buchrücken zusammen und lassen alle Seiten fallen. Ergießt sich über ihnen ein Tropenregen, sind sie hinterher überhaupt nicht mehr lesbar. Von derartigen Prüfungen soll diese Aktion aber nicht berichten. Vielmehr habe ich Kriterien herangezogen, nach denen Bücher normalerweise rezensiert werden. Es wird also geguckt, wie die Charakterentwicklung ist, die Dramaturgie und Logik der Handlung, der Erzählstil im Allgemeinen und, falls möglich, die Historie authentisch ist. Jedes Buch konnte auch für jedes Adjektiv auf der ersten Seite einen Punkt sammeln. Noch mehr Punkte gibt es, wenn eine Story oder Beitrag geteilt oder verlinkt werden. Das ist dann vergleichbar mit Anrufen der Fans bei derartigen TV-Sendungen. Nadine von Kunterbunte Bücherreisen hat mich übrigens vorab dazu befragt.

Es handelt sich bei der Aktion um folgende Titel:

Habt ihr schon einen Favoriten?

Robert C. Marley – Inspector Swanson und die Hexe von Bray

Inspector Swanson und die Hexe von Bray ist bereits der neunte Fall für den Ermittler von Scotland Yard. Bekannt wurde er, weil er 1888 gegen Jack the Ripper ermittelte. Es gab Donald Sutherland Swansson also wirklich. Robert C. Marley verbindet in dieser Krimiserie immer einige Fakten mit Fiktion. Die Kulisse der viktorianischen Zeit bietet dabei etwas Undurchsichtiges, wo hinter jeder Gaslaterne ein Bösewicht hervorspringen kann. Dieser Kriminalfall spielt im Jahr 1896 und stellt schon im ersten Kapitel das erste menschliche Unfallopfer im Zusammenhang mit einem Automobil vor.

Die Stärke der Krimis sind eindeutig die Historie und die drumherumgesponnen spannenden Handlungen. Einige Figuren sind inzwischen aus dem Schatten des Inspectors herausgetreten wie sein Gehilfe Peter Phelps, dessen Magen noch nicht so abgestumpft ist, wie er es hilfreich finden würde. Aber er überrascht auch immer wieder mit cleveren Kombinationen bei den Ermittlungen. Ebenfalls sympathisch ist Swansons Freund Frederick Greenland, der seit einigen Bänden bereits das Geheimnis um seinen Ziehsohn Badger aufklären möchte. Diese Hintergrundinfos werden allerdings ausreichend erwähnt, sodass man die Chronologie auch außer Acht lassen kann. Einmal begonnen, werdet ihr aber vermutlich sowieso alle lesen wollen.

Alexandra Potter – Lieber mit dem Kopf durch die Wand als gar kein Durchblick

Die Entwicklungsgeschichte im kleinen Dorf Nettlewick wird herzerwärmend erzählt. Es ist ein Wohlfühlroman, den man gut an einem gemütlichen Ort lesen kann. Ein bisschen Zeit sollte man auch mitbringen, weil die kurzen Kapitel irgendwie immer so aufhören, dass man aber gerade noch wissen möchte, wieso diese Figur nun jene Andeutung gemacht hat und wie es weitergeht. Durch die Perspektivenwechsel fühlt man sich schnell in jeden von ihnen ein. Man begleitet Liv bei ihrem Neuanfang nach der Scheidung, erfährt von Bens Schicksalsschlägen und möchte Valentine auf dem letzten Weg mit seiner Frau trösten. Je enger die kleine Gemeinschaft zusammenrückt, desto häufiger finden auch humorvolle Dialoge statt. Der Text macht Hoffnung, dass man auch aus dem tiefsten Loch wieder hinausfindet. Allerdings ist er gleichzeitig auch lebensnah. Es passieren nicht nur fröhliche Dinge und für manchen Fortschritt ist eine Entscheidung nötig.

Jennifer Ryan – Die Köchinnen von Fenley

Die Köchinnen von Fenley von Jennifer Ryan ist ein warmherziger Roman über vier Köchinnen während des Zweiten Weltkriegs. Die unterschiedlichen Frauen aus Fenley werden 1942 im Laufe eines Kochwettbewerbs zu Freundinnen. Die vier beschreiben die damalige Gesellschaft der Briten und deren Auffassung. Ryan versteht es, auf einfühlsame Weise die Hintergründe herauszuarbeiten und damit für jede Figur Empathie zu wecken.

Die Grundlage dieses Romans war die tatsächliche Radioshow der BBC, kombiniert mit Zeitzeugenberichten. Wegen der Rationierungen mussten die altbekannten Rezepte modifiziert werden. Die Gewinnerin erhält zudem die Chance auf ein Einkommen als Co-Moderatorin.

Die Kochkunst wird intensiv beschrieben und man kann erahnen, mit welchen Schwierigkeiten die Köchinnen zu kämpfen hatten. Nicht nur, dass ein Kuchen eine Wochenration an Eier und Fett verbrauchte, sondern auch das Mehl kreativ gestreckt werden musste. Was es nicht zu kaufen gab, musste in der Natur gesammelt oder eigens angebaut werden. Es wird deutlich, dass er Krieg eben nicht nur auf dem Schlachtfeld stattfand, sondern auch bei der zivilen Bevölkerung. Sie mussten dann mit Rationierungen zurechtkommen und das Beste aus der Situation machen.


Blätterwald: Charaktere

Auf diesem Chart sind die Hauptcharaktere zusammengefasst.

Val McDermid – 1979 – Jägerin und Gejagte

1979 – Jägerin und Gejagte ist bereits der 35. Roman von Val McDermid. Die schottische Autorin beginnt damit eine fünfteilige Serie um die Journalistin Allie Burns. Die junge Frau hat es seinerzeit schwer, die Aufträge zu bekommen, die ihr Ansehen in der Branche steigern. Meistens muss sie sich um kleinere Sachen kümmern. Ihr Kollege Danny bittet sie irgendwann um Hilfe, bei einem Artikel von Geldwäsche zu unterstützen. Mit dem Aufdecken der Vorgänge begeben sich die beiden in Lebensgefahr. Es geht dabei um Terror und dessen Finanzierung. Auch das Referendum zum unabhängigen Schottland spielt wieder eine Rolle. Allie Burns steckt plötzlich so tief drin, dass sie selbst zur Hauptverdächtigen in einem Mordfall wird.

Val McDermid hat für diese Themen auch den richtigen Schreibstil. Man hat das Gefühl, dass jeder Satz die Geschichte voranbringt und die Handlung richtig Fahrt aufnimmt. Ich hatte stets das Gefühl, ganz nah dabei zu sein. McDermid hat Ende der 70-er Jahre ebenfalls als Journalistin in einer Glasgower Redaktion gearbeitet, sodass daher sicher die authentischen Beschreibungen abzuleiten sind. Alles in diesem Krimi klingt so, als sei es tatsächlich so passiert. Der Krimi ist als Taschenbuch beim Knaur Verlag erschienen. Im Juni folgt 1989 und lässt Allie erneut beim politischen Geschehen mitten drin sein.

Oliver Pötzsch – Die Henkerstochter und die schwarze Madonna

Oliver Pötzsch ist mit diesem Band bereits beim neunten Fall für die Henkerstochter angelangt. Diesmal geht es nach Altötting und man schreibt das Jahr 1681. Die Serie verbindet die Historie Bayerns mit fiktiven Kriminalfällen. Im Wallfahrtsort Altötting kann man heute noch die schwarze Madonnenfigur besichtigen, die den Pilgern Gnade erweisen soll. Die 700 Jahre alte Figur wurde auch Zeugin der perfiden Anschläge auf Kaiser und Kurfürst, glaubt man den Zeilen des Autors.

Jakob Kuisl kennt man als grummelnden Alten, der scharfsinnig Zusammenhänge erkennt. Als er die Kapelle besucht, kann er gerade noch ein Unglück verhindern. Hinter einem Bild wurde Sprengstoff angebracht. Kurze Zeit später findet man den Kaplan ermordet auf. In einem zweiten Handlungsstrang wendet sich die Kaiserin vertraulich an Simon, damit er den verschwundenen Degen wiederbeschafft. Das sind große Aufträge, mit denen die Kuisls zu tun haben. Außerdem müssen sie sich vor den Musketieren des französischen Königs in Acht nehmen. Der historische Krimi ist also gewohnt turbulent.

Diagramm Blätterwald der Literatur - Authentizität
Diagramm Blätterwald der Literatur – Authentizität

Daniela Dröscher – Lügen über meine Mutter

In Lügen über meine Mutter lässt Daniela Dröscher die minderjährige Tochter Ela die Familiengeschichte erzählen. Sie spielt in einem kleinen Dorf im Westerwald in den 80-er Jahren. Fast immer geht es um das Gewicht der Mutter. Der Vater mokiert ständig, seine Frau sei ihm zu dick. Das sei der Grund, weswegen sein beruflicher Erfolg ausbliebe. Eigentlich hat das Gewicht in allen Bereichen Schuld. Die Mutter kümmert sich um alle Belange der Familie. Außer den eigenen Kindern, versorgt sie auch ein Pflegekind. Die Eltern kommen in ein Alter, wo sie ebenfalls Pflege brauchen. Die Mutter nimmt jede Aufgabe klaglos an. Unterstützung bekommt sie keine. Im Gegenteil. Je mehr die Frau schufftet, desto selbstgefälliger wird ihr Mann.

Der Roman stand für den Deutschen Buchpreis 2022 auf der Shortlist. Auch wenn er nicht mit dem begehrten Preis bedacht wurde, ist es ein starker Text, der die Sicht auf eine gar nicht mal so weit in der Vergangenheit liegenden Zeit ermöglicht. Er macht deutlich, wie hoch der schöne Schein in unserer Gesellschaft bewertet wird, statt Menschen einfach so anzunehmen, wie sie sind. Die durchweg hilfsbereite und warmherzige Frau leistet für die Familie nämlich Überdurchschnittliches.

Miriam Georg – Das Tor zur Welt – Hoffnung

Miriam Georg gibt mit diesem Zweiteiler um die Auswanderwelle des beginnenden 20. Jahrhunderts einen umfassenden Überblick auf Hamburg mit der Abwicklung der Schiffspassagen. Dieser Roman ist die Fortsetzung von Das Tor zur Welt – Träume. Wer den gelesen hat, weiß, dass Avas Traum, in Amerika ihre Familie zu finden und neu anzufangen, geplatzt ist. Der Cliffhanger aus Band 1 wird mit den ersten Kapiteln aufgelöst. Es gibt ein Wiedersehen mit beliebten Figuren und auch einige Wendungen mit weniger beliebten. Während im ersten Band die Arbeit in der Ballinstadt im Vordergrund stand, rücken nun die Beziehungen der Figuren untereinander in den Fokus. In jedem Fall solltet ihr aber erst Band 1 lesen und dann Band 2.

Miriam Georg lässt mit Das Tor zur Welt – Hoffnung die Auswanderwelle von Hamburg nach Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch einmal lebendig werden. Sie vermittelt mit ihren vier Hauptfiguren einen umfangreichen Einblick in die damalige Zeit. Die Gesellschaft des Kaiserreichs wird bildhaft dargestellt. Man bekommt eine Vorstellung, wie schwer für einige das Überleben war, während andere scheinbar alle Möglichkeiten hatten und sogar noch ein lukratives Geschäft daraus machten. Auch die Fortschritte der Technik und Industrie fließen mit ein. Der Roman entstand nach einer fundierten Recherche. Der Zweiteiler um Ava und Claire gehört für mich zu den Highlights des Jahres.

Blätterwald der Literatur - Spannungslevel der Romane
Diagramm Blätterwald der Literatur – Spannung

Marianne Cedervall – Schwedische Schwestern

Marianne Cedervall führt uns mit Schwedische Schwestern hoch in den Norden Europas. Es ist der zweite Fall für Pastor Samuel Williams mit dem Schauplatz des winterlichen Schwedens. Der fiktive Ort Klockarvik scheint so beschaulich und wird doch wieder zum Schauplatz des Verbrechens. Der Protagonist lässt die Leser stets an seinen Gedanken teilhaben, was ihm Sympathien einbringt. Man kann seine Zweifel nachvollziehen und wartet ab und zu auf ein Zeichen vom Chef. Der Pastor braucht unbedingt eine Auszeit. Nach den Ereignissen aus dem ersten Band Schwedische Familienbande muss er sich erholen, weswegen ihm sein Mentor ein Schweigekloster empfohlen hat. Naja, so viel wird nicht geschwiegen und außerdem hängt wohl auch der aktuelle Mordfall, an dem Kriminalkommissarin Maja-Sofia Rantatalo ermittelt, mit dem Kloster zusammen. Doppeltes Pech für den Pastor: Diese Frau wollte er ja eigentlich vergessen.

Der Krimi ist klassisch aufgebaut. Es gibt zu Beginn eine Tat und nun wird der Mörder gesucht. Es wird in alle Richtungen ermittelt, sodass man als Leser auch mal den Falschen in Verdacht hat. Genügend Personen sind immer mal wieder im Spiel, die Hinweise geben können, oder eben selbst etwas zu verbergen haben. Von daher bleibt es spannend, wie die Lösung aussieht und vor allem, welches Motiv dahintersteht. Die finnische Kommissarin behält dabei den Überblick, obwohl auch sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird.

Anne Nordby – Eis. Kalt. Tot.

Anne Nørdby beginnt mit Eis. Kalt. Tot. eine neue Thrillerserie um Marit Rauch Iversen. Sie bringt dabei ein Dreierteam zusammen, das sich selbst noch finden muss. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass einer aus der Dienststelle den Journalisten gegenüber zu viel sagt. Das Team besteht aus Kriminalkommissarin Kirsten. Sie ist schon länger in Kopenhagen. Ihr wird der neue Kollege Jesper an die Seite gestellt. Marit ist in Grönland geboren und als Kind nach Dänemark gekommen. Sie ist zweifellos eine auffällige Erscheinung.

Die Szenen sind nicht für jeden Leser geschrieben. Der nordische Winter hat kurze Tage, sodass auch Straftaten länger unerkannt bleiben. Für mich müssen die Opfer nicht gar so ausführlich beschrieben werden. Bei Tieren bin ich nochmal empfindlicher. Von daher vergebe ich hier volle Punktzahl für die verstörende Abscheu, obwohl ich mehrere Tage überlegt habe, überhaupt weiterzulesen. Der Fall für sich genommen, ist clever angelegt und relativ lange undurchsichtig. Man spürt den Druck, der auf den Kommissaren lastet. Gleichzeitig werden gerade in den grönländischen Szenen die Weite und Einsamkeit deutlich.

Blätterwald der Literatur - Anzahl Adjektive
Blätterwald der Literatur – Anzahl der Adjektive auf der ersten Seite

Anne Stern – Drei Tage im August

Anne Stern präsentiert in diesem kleinen zeitlichen Ausschnitt eine Welt, die inzwischen als Ruhe vor dem Sturm angesehen werden kann. Es war für viele die letzte Möglichkeit, sich über die Grenzen des Landes in Sicherheit zu bringen. Als im August 1936 die Olympischen Spiele beendet wurden, ahnte die Bevölkerung nicht, was sie zwei Jahre später erwarten würde. Die Beobachtungen der Figuren vermitteln dem wissenden Leser allerdings ein überdeutliches Bild. Es ist eine Glanzleistung, diesen schmalen Grat verbal zu zeichnen, dass man beim Lesen das grauenvolle Bild vor Augen hat, ohne die laute Gewalt explizit zu erwähnen.

Die Autorin nutzt einen leisen Erzählstil, um diese bewegende Geschichte zu erzählen. In der Chocolaterie findet man Ruhe und etwas wie Normalität in diesen Zeiten. Ein historischer Roman muss die Zeit so einfangen, dass der Leser einen Eindruck gewinnt, wie es für die Betroffenen angefühlt hat. 1936 konnte man allenfalls in Teilen ahnen, was auf das Land und die Menschen zukommt. Zur Zeit der Olympiade waren noch einige Ausländer in Berlin, die ganz andere Nachrichten gelesen hatten. Auch dieser Aspekt fließt glaubhaft mit ein. Die Charaktere agieren absolut lebendig vor der historischen Kulisse. Würden die Linden uns etwas erzählen können, wäre es vermutlich genau diese Geschichte.

Blätterwald - Auswertung
Blätterwald – Auswertung

Gestern wurde nun gezählt. Auf der Grafik erkennt ihr die Rangfolge. Verdient hätten alle Bücher den ersten Platz. Es kann aber nur einen geben. Herzlichen Glückwunsch Miriam Georg.

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