Was man von hier aus sehen kann von Mariana Leky
Als Selma das erste mal von einem Okapi träumte, verlor sie ihren Mann. Ihre Schwägerin musste ihr die schlimme Nachricht gar nicht erst sagen. Die Träume wiederholten sich und immer starb jemand aus dem kleinen Dorf im Westerwald. Da man vorher nicht wusste, wen es treffen würde, herrschte in den nächsten 24 Stunden Trubel. Auch Selmas Enkelin Luise hat eine besondere Gabe: Wenn sie jemanden in die Augen sieht und dabei nicht die Wahrheit sagt, zerbricht etwas. Das kann ein Bild sein, aber auch eine ganze Hauswand. Manchmal kann die Gabe hilfreich sein, meistens kommt sie aber ungelegen.
Mariana Leky schafft in ihrem Roman eine fiktive Gemeinschaft. Sie beschreibt darin das Leben in einem Dorf und der nötige Zusammenhalt untereinander. Die Charaktere verkörpern dabei die unterschiedlichsten Ansichten und Wünsche. So lebt Selma bereits 80 Jahre am selben Ort. Sie ist einerseits warmherzig, andererseits auch etwas unnahbar. Ihr Sohn Peter ließ vor Jahren Familie und Arztpraxis hinter sich, um die Welt zu sehen. Die meiste Zeit hört seine Tochter Luise ihn durch knisternde Telefonleitungen von exotischen Orten. Auch mit der Liebe ihres Lebens, dem Buddhisten Frederick, kann sie nur über tausende von Kilometern kommunizieren. Bei manchen ist es aber nicht die Entfernung, die sie an der ersehnten Nähe hindert. Der Optiker liebt Selma schon sein ganzes Leben lang, hat es ihr jedoch nie gesagt. Leky schafft es, die unterschiedlichsten Formen des Zusammenseins auf kleinstem Raum darzustellen.
Gemeinschaft und Individualität
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist der Humor, der die Dramatik der Handlung unterstreicht. Durch die übersinnlichen Gaben von Selma und Luise ist die Vergänglichkeit des Lebens jederzeit präsent. Das schafft natürlich auch traurige Szenen, in denen von lieben Figuren Abschied genommen werden muss. Dennoch versinkt man nicht in Melancholie, sondern wird durch humorvolle Akzente immer wieder getragen. Es gibt verschiedene Sichtweisen und jeder hat die Wahl, die für ihn passende auszusuchen. Das Geheimnis der Gemeinschaft ist die Toleranz und vor allem Akzeptanz der einzelnen untereinander. Das berührt und macht den Roman so besonders.
Roman auf der Kinoleinwand
Regisseur Aron Lehmann („Das schönste Mädchen der Welt“) hat Mariana Lekys wunderbaren Bestsellerroman über ein Dorf in der Provinz und seine skurril-liebenswerten Bewohner für die große Leinwand inszeniert. 109 Minuten versinkt man nicht nur in den Kinosesseln, sondern vor allem in die Geschichte. Corinna Harfouch träumt als Selma von den giraffenartigen Tieren und lebt mit Luna Wedler als ihrer Enkeltochter zusammen. Beide Schauspielerinnen überzeugen in ihren Rollen. Auch bei den Nebenrollen wurden namhafte Darsteller engagiert. Karl Markovics („Résistance – Widerstand“, „Die Fälscher“) hat als Optiker eine wichtige Rolle. In weiteren Rollen spielen Rosalie Thomass („Die Känguru-Chroniken“, „Eine ganz heiße Nummer“), Benjamin Radjaipour („Futur Drei“) und Peter Schneider („Dark“, „Gundermann“, „Systemsprenger“). Sie ergänzen sich, um den Fokus auf den Sinn des Lebens zu verdeutlichen. Der Film zeigt auf leise Weise, die einzelnen Facetten und kombiniert sie zu einem sehenswerten Kinovergnügen.
Als spontanes Weihnachtsgeschenk durfte ich am 2. Weihnachtstag an der Preview der Romanverfilmung Was man von hier aus sehen kann teilnehmen. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Agentur Jetzt&Morgen und der Buchhandlung Heymann. Die Verfilmung basiert auf dem Roman von Mariana Leky. Der Film hält sich überwiegend an die Romanvorlage. Lediglich zum Ende erkennt man kleine Differenzen zum Buch. Es ist keinesfalls notwendig, den Roman gelesen zu haben. Die Beschreibungen der Figuren und Umgebungen sind perfekt umgesetzt. Genau so lief der Film bereits beim Lesen ab. Ab 29. Dezember ist der Film im Verleih von Studiocanal. Ich kann einen Kinobesuch sowie das Lesen des Romans also nur empfehlen.
Der Trailer enthält einige witzige Szenen, die im Kontext des Films verständlicher werden. Alles zusammen ist eine ergreifende Unterhaltung.

MARIANA LEKY studierte nach einer Buchhandelslehre Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Sie lebt in Berlin und Köln. Bei DuMont erschienen der Erzählband ›Liebesperlen‹ (2001), die Romane ›Erste Hilfe‹ (2004), ›Die Herrenausstatte¬rin‹ (2010) sowie ›Bis der Arzt kommt.‹ (2013). 2017 veröffentlichte sie den SPIEGEL-Bestsellerroman ›Was man von hier aus sehen kann‹, der in über zwanzig Sprachen übersetzt und für das Kino verfilmt wird. (Quelle: Dumont-Buchverlag)
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- Herausgeber: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG
- erschienen am 19. August 2019
- Taschenbuch: 320 Seiten
- ISBN-13: 978-3832164577