Sturm über dem Inselsalon von Sylvia Lott
Norderney, 1914. Der Krieg ist ausgebrochen. Die Männer der Insel sind entweder im Kampf oder doch wenigstens bei der Inselwache. Auch Fritz Fisser leistet seinen Dienst. Der Inhaber des Inselsalons überlässt seiner Frau Jakomina und seiner Schwiegertochter Frieda das Geschäft. Sohn Hilrich kämpft an der Front. Friedas Freundin Grete hat im Kinderheim nichts mehr zu tun. Die Kinder werden nach Hause geschickt und die Insel leert sich. Am Tag der Mobilmachung heiratet sie Dr. Max Lubinus, zu dem sie sich seit Jahren hingezogen fühlt. Das Leben auf der Insel hat sich über Nacht verändert.
Mit dem zweiten Band um den Inselsalon setzt Sylvia Lott zeitlich nahtlos an den Vorgänger an. Im Frisörsalon wurde bereits über die Möglichkeit des Kriegsausbruchs diskutiert, aber vorstellen wollte sich das niemand. Auch die Auswirkungen konnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgesehen werden. Das Eiland in der Nordsee war bisher eine Idylle, zu der die höhere Gesellschaft in die Sommerfrische kamen. Nun zäunt man die Insel ein, um einer Invasion der Engländer vorzubeugen. Schauen wir heutzutage vom Strand der Insel aufs Meer, ist eine Grenze ebenfalls schwer vorstellbar. Umso schlimmer muss es für die Kinder in den Kriegsjahren gewesen sein, dass sie die Welt nur noch durch einen Zaun betrachten konnten, statt im Meer schwimmen zu lernen. Auf diese kleinen Dinge, die auf die Bevölkerung sicher eine enorme Wirkung hatte, weist der Roman hin.
Grete stammt aus einer gutgestellten Familie und hat sich ihre Tätigkeit als Krankenschwester im Kinderheim hart erkämpft. Die allgemeine Auffassung über das Arbeiten haben sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater verdeutlicht. Man fühlt sich beim Lesen in die Figuren ein, sodass man auch Gretas Wunsch nach einer sinnvollen Betätigung nachempfinden kann. Friedas Familie musste von jeher hart für ihr Auskommen arbeiten, sodass man ihr keine Steine in den Weg legte, als sie ihre Tätigkeit im Salon begann. Sie ist mit Hilrich verheiratet, der einmal den Friseurladen übernehmen wird. Tochter Lizzy ist inzwischen fünf Jahre alt. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass sie vom Wandel der Zeit profitieren wird, wobei niemand wissen kann, wie es nach dem Krieg weitergeht. Die Zeit wird authentisch und eindringlich beschrieben. Beim Lesen fühlt man sich hundert Jahre zurückversetzt. Die fundierte Recherche der Zeit füllt nicht nur die Kulisse, sondern verleiht den Handlungen gleichermaßen Verzweiflung und Hoffnung.
Sturm über dem Inselsalon erzählt von den vier Kriegsjahren auf der ostfriesischen Insel Norderney. Entschlossen übernimmt Frieda Fisser die Geschäfte des Inselsalons. Es ist zum einen ein Ort, an dem Männer ihre Einschätzungen über die politische Lage erzählen, zum anderen ist man als Leser ganz nah dabei, welche Entbehrungen von jedem verlangt wurden. Friedas Einfallsreichtum ist überlebenswichtig und macht sie zu einer stillen Heldin. Der Roman ist wunderbar zu lesen. Der Erzählstil ist dabei so eingängig, dass man sich wie ein Zuschauer einer fremden Zeit vorkommt. Ich kann mich also nur wiederholen: Die ersten beiden Bände um den Inselsalon sind eine eindeutige Leseempfehlung. Goldene Zeiten im Inselsalon setzt den Vierteiler im Februar 2023 fort.

Die freie Journalistin und Autorin Sylvia Lott ist gebürtige Ostfriesin und lebt in Hamburg. Viele Jahre schrieb sie für verschiedene Frauen-, Lifestyle- und Reisemagazine, inzwischen konzentriert sie sich ganz auf ihre Romane. Mit »Die Inselfrauen«, »Die Fliederinsel« und »Die Rosengärtnerin« stand sie wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. (Quelle: Randomhouse)
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- Taschenbuch, Klappenbroschur, 512 Seiten
- Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag
- erschienen am 18. Juli 2022
- ISBN-13: 978-3734108914
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Blanvalet Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.
Reihenfolge Inselsalon-Saga:
- Die Frauen vom Inselsalon
- Sturm über dem Inselsalon
- Goldene Zeiten im Inselsalon
- Neue Träume im Inselsalon
Ein Gedanke zu “Kriegszeiten auf Norderney”