Träume von Freiheit – Ferner Horizont von Silke Böschen
Dresden, 1875. Florence de Meli ist jung und gehört zur Höheren Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Die Amerikanerin ist verheiratet, liebt ihre beiden Kinder und genießt ein ausschweifendes Leben zwischen Varietébesuchen und anregender Salons. Die Familie lebt in der amerikanischen Kolonie Dresdens. Es scheint, als sei sie mit allem gesegnet, was die Epoche ihr bieten kann. Doch es gibt auch unangenehme Szenen. Henri de Meli unterstellt seiner Frau, allzu aufreizend zu sein. An seine Rechte als Ehemann erinnert er häufig mit gewalttätigen Ausbrüchen. Auch sein Sohn bekommt das zu spüren. Angeheizt wird der Privatier durch seine Mutter, die ihrer Schwiegertochter ebenfalls das Leben schwer macht. Florence de Meli lebte unglücklicherweise in einer Zeit, in der Ehemänner in allen Bereichen über ihre Ehefrauen bestimmen durften und die Psychiatrie fragwürdige Heilungsmethoden anwendete. Sie lebte allerdings auch in einer Zeit ohne elektronische Überwachungskameras oder schneller Nachrichtenübermittlung.
Silke Böschen zeichnet in ihrem zweiten Roman von Träume von Freiheit das Leben der Amerikanerin Florence de Meli nach. Ihr Leben liest sich wie ein Spannungsroman. Ich muss zugeben, dass ich mich an dieses Buch nur langsam herangewagt habe. Der Umgang der Eheleute zusätzlich zur Geschichte der Psychiatrie im 19. Jahrhundert ließ grausame Szenen erwarten. Außerdem ist das Buch Teil einer Trilogie, von der ich den ersten Band nicht kannte. Lasst euch davon nicht abhalten. Die Autorin schafft es, die junge Frau so lebendig werden zu lassen, dass man mit ihr mitleidet, ihr auf der Flucht die Daumen drückt und gleichzeitig den Ehemann in die Wüste schicken will. Es werden Emotionen geweckt, die den Leser zwischen Unglauben und Wut wechseln lassen. Die Geschichte von Florence spiegelt auf beeindruckende Weise die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und gibt einen umfangreichen Einblick in die Rechte von Ehepartnern und die Geschichte der Psychiatrie.
Zeitgeschichte und Atmosphäre
Die Themen passen so optimal zusammen, dass man kaum glaubt, dass sie nicht der Phantasie der Autorin entsprungen sind. Im Anhang sind Briefe abgedruckt und Auszüge aus dem Scheidungsprozess, deren Aussprüche man schon im Roman gelesen hat. Der Spannungsbogen ist also aus dem echten Leben gegriffen, was noch betroffener macht. Es ist unvorstellbar aus heutiger Sicht, dass es Zeiten gab, in denen Ehemänner ihre Frauen einfach in eine Klinik abschieben konnten und diese Frauen dann teilweise unmenschlich gequält wurden. Florence ist nicht nur durch die Ehehölle gegangen und hat sich aus der Klinik gekämpft, sondern musste dann eine beschwerliche Flucht quer durch Europa bis nach New York bewältigen. Was heute in wenigen Stunden überstanden ist, dauerte seinerzeit Wochen. Die Atmosphäre beim Lesen war fühlbar angespannt und auch im Gerichtssaal später wabert die Belastung zwischen den Zeilen hindurch. Der Erzählstil ist bemerkenswert lebendig.
Silke Böschen hat für ihren zweiten Roman um Frauen im 19. Jahrhundert den Scheidungskrieg zwischen Florence und Henri de Meli thematisiert. Er zeigt die Gesellschaft und ihre vorherrschende Meinung über die Stellung der Frau. Die Umstände, die die Hauptperson hinter sich lassen will, beruhen auf wahren Begebenheiten. Sie erzählen eine Leidensgeschichte, die an Dramatik kaum Wünsche offenlässt. Der Roman ist in jedem Fall ein Lesetipp.
Eine weitere Meinung lest ihr im Buchtempel und in Ullas Leseecke.

Silke Böschen wurde in Bremerhaven geboren. Nach einem Zeitungsvolontariat und dem Journalistik-Studium arbeitete sie viele Jahre als Fernsehmoderatorin in der ARD. Sie war das Gesicht des Politik-Magazins „Kontraste“. Zuvor führte sie – als zweite Frau überhaupt – durch die »ARD-Sportschau«. Nach Stationen in Berlin und Frankfurt lebt sie nun mit ihrer Familie in Hamburg, wo sie als Fernsehreporterin unterwegs ist. »Träume von Freiheit – Ferner Horizont« ist nach dem erfolgreichen Debüt »Träume von Freiheit – Flammen am Meer« ihr zweiter Roman. Bei ihren aufwendigen Recherchen entdeckt Silke Böschen in Archiven und alten Zeitungen längst vergessene Geschichten aus dem 19. Jahrhundert. In ihrem neuen Roman lässt sie ein schillerndes Kapitel deutsch-amerikanischer Geschichte wieder lebendig werden. (Quelle: Gmeiner Verlag)
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- Herausgeber: Gmeiner-Verlag
- erschienen am 7. April 2021
- Taschenbuch: 510 Seiten
- ISBN-13: 978-3839228630
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Gmeiner Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.
Reihenfolge
- Träume von Freiheit – Flammen am Meer
- Träume von Freiheit – Ferner Horizont
Von Silke Böschen gibt es von Träume von Freiheit – Ferner Horizont eine Lesung auf Youtube.
Ich habe es noch nicht gelesen 🙈 Mein Plan, alle nominierten Bücher bis zur Preisverleihung zu lesen, ist wohl dahin 🙈
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Das sollte aber auf deine Leseliste kommen. Es lohnt sich definitiv.
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