Die letzten Tage unserer Väter von Joël Dicker
Paris, 1940. Paul-Emile ist entschlossen, im Krieg gegen die Nazis etwas entgegenzusetzen. Er schließt sich einer geheimen Organisation der Engländer an. Im unwegsamen Schottland wird er zusammen mit weiteren Freiwilligen für die SOE ausgebildet. Paul-Emile wird zu Pal, und gemeinsam mit Stan, Gros, Flaron, Cucu und Laura zu Geheimagenten der Briten. Nach dieser intensiven Ausbildung geht es für sie zurück nach Frankreich, um dort gegen die Deutschen zu intervenieren.
Joël Dicker hat einen wunderbaren Erzählstil, der die Facetten einer Geschichte immer wieder anders erscheinen lässt. Je nach Blickwinkel verändert sich dadurch ein liebenswerter Charakter zu einem grauenvollen Widersacher, oder auch eine eher unscheinbare Nebenfigur zum Dreh- und Angelpunkt einer ganzen Geschichte. Der Schweizer Autor beherrscht die Kunst des Handlungsaufbaus perfekt. Je mehr Informationen der Leser erhält, desto bunter wird das Bild, das er betrachten kann. In manchen Fällen weiß man dann allerdings mehr als die Figuren und möchte sie vor Intrigen warnen, was aber nur zeigt, dass die Erzählweise lebendig und eindringlich ist.
Authentisches Abbild der Zeit
Die Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich ist in letzter Zeit häufig Thema in Romanen. Immer wieder geht es um den Widerstand. So kann nicht nur die Historie im Zweiten Weltkrieg geschildert werden, sondern die Figuren werden zu Helden. Die kleine Gruppe von Agenten bekommen eine Biografie, die allen einzigartige Eigenschaften zuschreibt. Zusammen wirken sie authentisch, was eine Sogwirkung beim Lesen bildet. Gerade Pal, der seine Sorge um den Vater offenlegt und gleichzeitig seine SOE-Einheit nicht im Stich lassen will, weckt Emotionen. Auch die anderen Figuren tragen ihre Bürde. Die dadurch entstehenden Konflikte halten die Spannung bis zum Ende.
Die letzten Tage unserer Väter ist der erste Roman von Joël Dicker. Er erscheint nun als sechster in Deutschland. Das Debüt ist mitreißend und umfasst eine turbulente Epoche. Der über sechs Jahre dauernde Krieg bot die Kulisse für die Résistance und dazugehöriger Spionage der Alliierten. Durch die wechselnden Perspektiven erhält der Leser sehr private Einblicke in das Leben der Hauptfiguren. Selbst der Antagonist bekommt noch einen liebenswerten Charakterzug, indem er sich um Pals Vater kümmert. Niemand ist nur böse und manchmal siegt eben auch die Menschlichkeit. Der Roman informiert und regt zu weiterführender Literatur an. Es ist ganz großes Kino.
Hören macht Gänsehaut
Das ungekürzte Hörbuch hat mich beim zweiten Lesen begleitet. Obwohl ich die Handlung bereits kannte, hat mir Torben Kessler nochmal ein anderes Erlebnis beschert. Seine Stimme weckte die Emotionen, wenn sich die kleine Gruppe zusammenfindet. Er lässt Nähe zu, wenn der Vater ängstlich auf die Rückkehr seines Sohnes wartet und Hoffnung schöpft aus den Versprechungen des vermeintlichen Freundes. Der Text über Kameradschaft, Freundschaft, Liebe, Solidarität und Verrat rührt beim Hören noch mehr an als beim Lesen. Zudem wird er auch bei der Wiederholung niemals langweilig. Die Dauer von mehr als 15 Stunden habe ich gar nicht richtig wahrgenommen.
Torben Kessler, geboren 1975, studierte Schauspiel, Gesang und Tanz an der Folkwang Hochschule Essen. Es folgten Engagements in Düsseldorf, Freiburg, Leipzig, Frankfurt und Hannover. Neben der Bühne ist er auch im Fernsehen und Kino zu sehen, unter anderem spielte er in TV-Serien wie »Tatort«, »SOKO Leipzig« und »Polizeiruf 110« sowie im Kinofilm »Der Baader Meinhof Komplex«. Als Hörbuchsprecher konnte sich Torben Kessler mit Lesungen von Joël Dickers Romanen sowie mit Dave Eggers‘ »Der Circle« und Hanya Yanagiharas »Ein wenig Leben« einen Namen machen. (Quelle: Hörverlag)
Joël Dickers Debütroman Die letzten Tage unserer Väter vereint große Emotionen und spannende Spionagegeschichte im Zweiten Weltkrieg mit plastisch ausgearbeiteten Figuren. Es zeigt detailliert, wie sich die jungen Leute zum Widerstand entschlossen haben und ihr Enthusiasmus immer mal wieder mit der Realität zusammentraf. Der Roman ist lesens- sowie hörenswert.

Joël Dicker wurde 1985 in Genf geboren. Seine Bücher „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ und „Die Geschichte der Baltimores“ wurden weltweite Bestseller und über sechs Millionen Mal verkauft. Für „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“, das in Frankreich zur literarischen Sensation des Jahres 2012 wurde und dessen Übersetzungsrechte mittlerweile schon in über 30 Sprachen verkauft wurden, erhielt Dicker den Grand Prix du Roman der Académie Française sowie den Prix Goncourt des Lycéens. Mit „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ und „Das Geheimnis von Zimmer 622“ konnte er an seine Erfolge anknüpfen und schaffte es ebenfalls auf die Bestsellerlisten. (Quelle: Piper Verlag)
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- Herausgeber: Piper Verlag
- erschienen am 28. April 2022
- Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
- ISBN-13: 978-3492071383
- Originaltitel: Les derniers jours de nos pères
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Piper Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.
Moin,
Wie ist es im Vergleich zu den neueren Büchern?
Liebe Grüße,
Jenny
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Moin Jenny, es ist ein Roman mit einem klassischen Aufbau. Die neueren wechseln ja so oft die Perspektive, dass dadurch die Spannung erhalten wird. Es ist immer noch sehr viel Psychologie drin, aber es ist eben auch klar, wer auf welcher Seite steht.
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