Ein Präsident verschwindet von Ralf Langroth
Berlin, 1954. Am 20. Juli passiert das Unglaubliche: Der Präsident des Verfassungsschutzes der BRD, Otto John, verschwindet von einer Veranstaltung in West-Berlin, um kurz darauf in Ost-Berlin wieder aufzutauchen. Seinerzeit gab es bereits eine gut bewachte Grenze zwischen den Sektoren, aber ein derartiger Wissensaustausch ruft auch die besten Ermittler nach Berlin. Auf Wunsch von Bundeskanzler Konrad Adenauer übernimmt Philipp Gerber, Hauptkommissar des Bundeskriminalamtes, den Fall. Gemeinsam mit seiner Freundin Eva Herden bewegt er sich dabei zwischen skrupellosen Drahtziehern und machthungrigen Staatssekretären.
Ralf Langroth hat den Hauptkommissar des Bundeskriminalamtes bereits in Die Akte Adenauer eingeführt. Der ehemalige CIC-Agent bewegt sich in seinem zweiten Fall zwischen den Fronten von Ost und West. Während sich die Bevölkerung von den Gefechten des Zweiten Weltkriegs erholte, sorgte der Kalte Krieg in der Politik für harte Gefechte. Ein Überläufer mit einer Position wie John löst zwangsläufig einen Skandal aus. Der Verfassungsschutz hat Zugang zu sensiblen Daten, die er ausgewertet und damit das Land vor eventuellen Bedrohungen schützt. Ein Präsident mit einem derartigen Wissen, der sich freiwillig in ein Regime begibt, das konträre Ziele zum eigenen Land verfolgt, hat ganz sicher die Nerven der Regierung gekostet. Was sich in diesem Buch so spannend liest, basiert auf realen Begebenheiten. Besser hätte man sich keinen Politthriller ausdenken können.
Wenn ich von einer Krimiserie begeistert bin, muss ich mich mit dem Autor natürlich auch mal über die Hintergründe unterhalten. Im Podcast verrät Ralf Langroth ein paar Fakten zum dritten Teil.
Otto John war als Widerstandskämpfer im Dritten Reich gesucht und kehrte erst im Jahr 1950 in seine Heimat zurück. Dort musste er feststellen, dass Reinhard Gehlen einen einflussreichen Posten im Nachrichtendienst bekleidete. Beide sahen sich als härteste Konkurrenten. John war es ein Dorn im Auge, dass Deutschland auf eine Teilung zusteuerte und frühere NS-Generäle erneut hochrangige Positionen innehatten. Seine Flucht in die DDR wird später als Versuch beschrieben, die Teilung aufzuhalten. Zwei Jahre später gelingt John eine erneute Flucht; dieses Mal in den Westen. Im Handlungsverlauf nimmt Philipp Gerber die Leser mit in die erste Reihe. Das Leben formte also das komplexe Thema und lässt den Blick auf die damalige Zeit zu. Zeitgeist und Stimmung der Gesellschaft sind spürbar und tragen zum Verständnis der Nachkriegszeit bei.
Verhärtete Fronten mitten in Deutschland
Vor der Kulisse der tatsächlich stattgefundenen Ereignisse agiert der ehemalige amerikanische CIC-Agent mit seiner Freundin und Journalistin Eva Herden. Sie hat ebenfalls Beweggründe, in Ost-Berlin etwas zu regeln. Das Spionagenetz ist fein verwoben, sodass man genau nachlesen muss, wem man trauen kann, und wem besser nicht. Es wird geschossen, getäuscht und verraten, bis im Jahr 1955 endlich der Aktendeckel um Otto John im Bundeskriminalamt geschlossen werden kann. Durch den erneut temporeichen Erzählstil ist die Zeit allerdings schnell verflogen. Die Entwicklung der Figuren wirkt authentisch. Man trifft auf Bekannte aus dem Vorgänger, aus dem keine Kenntnisse notwendig sind.
Mit der Serie um Philipp Gerber ist Ralf Langroth eine interessante Perspektive auf ein Stück Zeitgeschichte gelungen, die die Grundlage zu unserer heutigen Gesellschaft bildete. Die Jahre des Wiederaufbaus und der Neuverteilung der Gewalten liest sich wie eine spannende Geschichtsstunde. Ich freue mich jetzt schon auf den dritten Band.

Ralf Langroth ist das Pseudonym eines Autors mit Übersetzungen in fünfzehn Sprachen. Vier Bücher des Autors sind derzeit von einer hochkarätigen Produktionsfirma der ersten Reihe für eine Verfilmung optioniert. In den Romanen um den BKA-Mann Philipp Gerber und die Journalistin Eva Herden verbindet Ralf Langroth seine beiden Stärken, die genaue Recherche und das Erzeugen hoher Spannung. Mit dem Auserzählen historischer Leerstellen präsentiert der Autor atmosphärische und packende zeitgeschichtliche Spionagethriller aus den jungen Jahren der BRD. (Quelle: Rowohlt Verlag)
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- Herausgeber: Rowohlt Taschenbuch
- erschienen am 15. Februar 2022
- Broschiert: 384 Seiten
- ISBN-13: 978-3-499-00477-3
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Rowohlt Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.
Reihenfolge der Serie:
- Die Akte Adenauer
- Ein Präsident verschwindet
- Das Mädchen und der General
Die ganze Reihe klingt für mich sehr interessant und ist schon bestellt! Ich werde berichten!
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Ich finde es faszinierend, auf welchem Pulverfass man damals saß. Mein Opa hat ja immer behauptet: „Wenn der Russe kommt, ist hier nichts mehr.“ Wenn man die Krimis liest, muss ich ihm immer mehr zustimmen.
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Ich habe heute erst mal mit Teil 1 angefangen nachdem ich deine Podcastfolge angefixt hat.
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Die Akte Adenauer fand ich auch klasse. Die Bundestagsdebatten der Politiker waren in den 70-ern großes Kino. Insofern konnte ich mich an die Charaktere noch ganz gut erinnern. Außerdem es ist immer gut, wenn man eine Serie chronologisch liest. Gerber und Herden lernen sich ja jetzt erstmal kennen.
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