Und wenn wir wieder tanzen - Cover

Scheitern und Neuanfang

Und wenn wir wieder tanzen von Kerstin Sgonina

Hamburg, 1962. Marie Hansen ist Zimmermädchen im Hotel Atlantic. Sie wohnt in einer Gartenkolonie in Wilhelmsburg. Gerade als sich ein Sturm zusammenbraut und die elbnahen Gebiete Hamburgs überschwemmt werden, ist sie eine Woche beurlaubt. Doch Marie hat Glück im Unglück und wird bei einer älteren Dame einquartiert. Was eigentlich nur über wenige Tage ein Unterschlupf sein soll, entwickelt sich bald zu einer Verbundenheit. Marie erfährt mehr über ihre Herkunft, als sie je zu hoffen wagte.

Kerstin Sgonina erzählt in ihrem Roman über die Hamburger Sturmflut im Jahre 1962 eine berührende Geschichte von zwei nicht nur altersmäßig unterschiedlichen Frauen. Marie ist jung und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Zimmermädchen. Täglich sieht sie Menschen, die es im Leben finanziell deutlich besser getroffen haben. Als Familie hat sie nur noch ihren Adoptivvater, der in Stade lebt. Oft sehen sie sich nicht. Sie lebt in Wilhelmsburg und verliert in der Nacht der Sturmflut ihren ganzen Besitz. Durch sie wird verdeutlicht, wie den Menschen mit den verfügbaren Mitteln geholfen wurde. Man versteht ihre Panik, ihre Sorge um Nachbarn und Angehörige und den Kampf um ein bisschen Privatsphäre in den Unterkünften. Marie hat Glück und kommt bei Effie in einer großen Wohnung in St. Pauli unter. Die Unterschiede sind sofort zu erkennen. Je besser man die betagte Effie kennenlernt, desto deutlicher erkennt man, dass auch sie in frühen Jahren Verlust hinnehmen musste. Der Erzählstrang aus den 20-er Jahren lässt diese Figur lebendig werden. Sie weckt Empathie für ihre jetzige Situation.

Verbindende Zeitgeschichte

Hamburg war nach dem Großen Krieg ein turbulentes Pflaster. Effies Traum ist Dat Danzhus in der Speicherstadt. Sie trifft eine Zufallsbekanntschaft aus dem Zug aus Schleswig-Holstein wieder, die mit ihrer Tochter auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann ist. Frieda und Helly gehören bald zur Familie. Gemeinsam betreiben sie das Lokal. Es wird getanzt und die Zeit der Entbehrungen vergessen. Aber die Zeiten ändern sich und der Ort des Vergnügens muss schließen. Beide Zeitebenen spiegeln prägende Abschnitte in der Großstadt, wobei die Charaktere als Beispiel für viele reale Existenzen stehen. Der Roman ist in seiner Fiktion eben auch ein zeitgeschichtlicher Einblick. Das nach 30 Jahren verstaubte Danzhus wird während des Zusammenlebens der beiden Hauptfiguren auch Maries Traum. Effie soll noch ein einziges Mal den vergangenen Glanz genießen. So ganz uneigennützig ist die Hilfe allerdings nicht: Eine Bar würde auch Marie eine erfüllende Arbeit sichern.

Und wenn wir wieder tanzen von Kerstin Sgonina bringt rund 50 Jahre des letzten Jahrhunderts näher. Die Sturmflut von 1962 deckt dabei eine Lebensgeschichte auf, die den Zusammenhang beider Handlungsstränge erklärt. Der Roman unterhält vor der Kulisse von zeitgeschichtlichen Umbrüchen und erinnert daran.

Leseprobe

© Sebastian Fuchs

Kerstin Sgonina arbeitet als Autorin, Journalistin und Lektorin. Mit 18 Jahren kam sie nach Hamburg und schlug sich nach ihrem Abitur dort unter anderem als Türsteherin und Barfrau in Sankt Pauli durch. Nach wie vor liebt sie die Stadt an der Elbe heiß und innig, lebt aber heute mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern nahe Berlin. (Quelle: Rowohlt Verlag)


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  • Herausgeber: ‎Wunderlich
  • erschienen am 15. Februar 2022
  • Gebundene Ausgabe: ‎464 Seiten
  • ISBN-13: ‎978-3805200899

Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Rowohlt Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.

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