Das Geheimnis von Zimmer 622 von Joël Dicker
In der Suite 622 wird eine Leiche entdeckt. Der Mann wurde erschossen. Trotz intensiver Ermittlungsarbeit wurde der Täter noch nicht überführt. Drei Jahre sind seitdem vergangen und der junge Schriftsteller Joël hält sich gerade im Hotel Palace in Verbier auf. Gemeinsam mit Scarlett, einer Zufallsbekanntschaft aus dem Hotel, vertieft er sich noch einmal in die Vorgänge. Dabei offenbart sich ein Netz aus Intrigen und Täuschungen, dessen Motive die Gier nach Macht und Eifersucht sind. Die weltweit am häufigsten angegebenen Gründe für Straftaten schaffen in diesem Roman ein Labyrinth zwischen Verwirrung und Schuld.
Joël Dicker ist das Synonym für komplexe Handlungen, die einen gemeinsamen Ursprung haben. „Das Geheimnis von Zimmer 622“ ist dennoch ein bisschen anders als die Handlung um Harry Quebert oder Stephanie Mailer. Für seinen aktuellen Roman hat der Schweizer Autor seine Heimat gewählt. Genf ist bekannt für private Bankhäuser, und Verbier ist ein beliebtes Skigebiet im Wallis. Vor 15 Jahren fand dort ein Treffen des Bankhauses Ebezner statt, das als Auslöser für alle weiteren Vorfälle angesehen werden kann. Eine Mutter versucht, ihre Töchter in der höheren Gesellschaft einzuführen. Sie wünscht sich ein sorgenfreies Leben für sie. Leider verliebt sich Anastasia in den Hotelangestellten Lew Lewowitsch. Mit allen Mitteln versucht die Mutter nun, diese Verbindung zu trennen. Anastasia heiratet schließlich Macaire Ebezner, den Erben der Bank. Doch auch mit dem Hotelangestellten hätte sie es finanziell gut getroffen: Er ist talentiert und wird vom Präsidenten bei der Bank eingestellt. Er verschafft der Bank sogar so hohe Gewinne, dass bei der neuen Präsidentschaftswahl im Jahr 2015 sein Name auf der Liste der potentiellen Nachfolger steht. Bei dieser Wahl trifft Lew auf Anastasia. Außerdem passiert ein Mord im Hotel.
Geld oder Liebe. Beides zusammen ist ausgeschlossen.
Drei Jahre später ist Joël, der fiktive Schriftsteller, in Verbier in jenem Hotel, in dem seinerzeit der Mord passierte. Er versucht, über seine Trauer um seinen Verleger hinwegzukommen und gleichzeitig seine Beziehung zu seiner Nachbarin in Genf zu vergessen. Seine Hotelbekanntschaft Scarlett scheint dafür eine ideale Ablenkung. Als sie herausfinden, dass der Mord noch nicht geklärt werden konnte, studieren sie selber die Akten. Es entwickeln sich drei Handlungsstränge, die Licht ins Dunkel bringen sollen. Bald erkennt man eine unglückliche Liebe, einen betrogenen Ehemann und irgendwer musste zwischen den Intrigen sein Leben lassen. Motive hatten vermutlich alle Beteiligten. Die atemraubende Spannung wie bei den drei anderen Romanen des Autors habe ich vermisst. Es war eher die Neugier, die mich weiterlesen ließ.
Dicker platziert die Handlung zwar in einem großen Bankhaus mitten in einem großen Hotel, jongliert aber dennoch nur mit einer übersichtlichen Anzahl an Personen. Sie sind schnell geformt und man möchte jetzt wissen, wer der Täter war. Die Polizei hat inzwischen aufgegeben, sodass der Schriftsteller das Thema für ein neues Buch aufgreifen möchte. Soweit folgt dieser Roman seinen Vorgängern, wenngleich der Protagonist weit weniger Hürden überwinden muss, um an Informationen zu kommen. Es gibt genügend Wendungen, um neue Motive ins Spiel zu bringen. Zum großen Teil ist es ein Thriller, der hinter die Kulissen einer Privatbank blicken lässt, zum anderen auch eine romantische Liebesgeschichte, in der nicht immer mit offenen Karten gespielt wird. Dennoch blieb der Sog schwach, mit dem ich mich sonst in die seitenstarken Bücher ziehen lasse. Möglicherweise war das die Reaktion auf den blass erscheinenden Möchtegernpräsident Macaire. Möglicherweise spielt der Autor hier aber auch nur mit dem Klischee der ererbten Titel und Positionen.
Nichtsdestotrotz gehört Joël Dicker zu meinen Lieblingsautoren. Seine Bücher lassen ein Kopfkino entstehen, wo der Leser zum Voyeur wird. In einem Interview verriet der 36-jährige, dass er noch viele Bücher schreiben wird. Von daher betrachte ich dieses als Beigabe, das die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllt hat. Erstleser bemerken das nicht. Lesenswert ist das Drama um Liebe, Täuschung, Eifersucht und das große Geld allemal.
Leseprobe

Joël Dicker wurde 1985 in Genf geboren. Seine Bücher „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ und „Die Geschichte der Baltimores“ wurden weltweite Bestseller und über sechs Millionen Mal verkauft. Für „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“, das in Frankreich zur literarischen Sensation des Jahres 2012 wurde und dessen Übersetzungsrechte mittlerweile schon in über 30 Sprachen verkauft wurden, erhielt Dicker den Grand Prix du Roman der Académie Française sowie den Prix Goncourt des Lycéens. Mit „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ konnte er an seine Erfolge anknüpfen und schaffte es ebenfalls auf die Bestsellerlisten. (Quelle: Piper Verlag)
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- Herausgeber: Piper
- erschienen am 1. März 2021
- Gebundene Ausgabe: 624 Seiten
- ISBN-13: 978-3492070904
- Originaltitel: L’Énigme de la Chambre 622
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Piper Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.
Moin, ich habe wirklich sehr auf das Buch gefreut, aber ich leider enorm skeptisch geworden. Einige, die große Fans sind, haben es auch schon abgebrochen und ich weiß, du hast ja auch alle Bücher gelesen. Vllt warte ich auf das Taschenbuch oder höre es als Hörbuch. 🙂
Liebe Grüße!
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