Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten von Melanie Metzenthin
Hamburg, 1913. Die fünfköpfige Familie Studt kann zufrieden sein. Paul hat eine gutbezahlte Arbeit und Martha bringt sich freiwillig als Krankenschwester im Hafenhospital ein. Die drei Kinder wachsen altersgerecht auf und müssen nicht, wie es in der Zeit üblich war, mit bezahlter Arbeit zum Familienauskommen beitragen. Als Marthas Patenkind in New York heiratet, reisen die Studts sogar auf dem Luxusschiff Imperator über den Ozean und lernen dort eine ganz andere Lebensweise kennen. Marthas Bruder Heinrich kommandiert einen Viermaster und bereist ebenfalls die Welt. Doch mit dem Mord am Österreichischen Thronfolgerpaar ändert sich das gewohnte Leben der ganzen Welt.
Melanie Metzenthin setzt mit diesem Teil der Trilogie die Familiengeschichte der Studts aus „Als wir zu träumen wagten“ fort. Martha und Paul haben inzwischen eine Familie gegründet und führen ein angenehmes Leben. Martha engagiert sich für die Familien im Gängeviertel und hilft freiwillig im Krankenhaus als Schwester. Sie sieht, wo die Not am größten ist und vermittelt Hilfe, wo immer es möglich ist. Die Gesellschaft des Kaiserreichs wird gerade im Hinblick auf die Rolle der Frau bildhaft dargestellt. Lida Heymann spielt ebenfalls wieder eine große Rolle, wenn es um gesellschaftliche Missstände geht. Es wird ebenfalls über die Landesgrenzen hinaus geschaut. Mit dem damals größten Dampfschiff der Welt reisen die Studts zur Hochzeit von Millis Tochter nach New York. Das dortige Leben und die gängigen Auffassungen werden im Vergleich zu den Europäern dargestellt. Die staunenden Kinder weisen immer wieder auf die Unterschiede hin. Kaum sind sie zurückgekehrt, tritt Deutschland 1914 in den Großen Krieg ein. Zu diesem Zeitpunkt ahnt niemand, was auf die Bevölkerung zukommt.
Fortschritt und kulturelle Unterschiede
Die großen Themen dieses Romans sind eindeutig die kulturellen Unterschiede zwischen Europäern, US-Amerikanern und Asiaten und der medizinische Fortschritt. Marthas Bruder Heinrich heiratet die Chinesin Li-Ming und bringt sie nach Hamburg. Die nach New York verschleppte Frau lernte den Kapitän des Viermasters in einem Etablissement kennen. Ihre Mentalität und Tradition trägt zur Verdeutlichung des multikulturellen Flairs der Hafenmetropole bei. In der schweren Zeit des Krieges ergänzen sich die unterschiedlichen Schwägerinnen. Man fühlt mit ihnen mit, wenn sie Angst um ihre Männer haben und ihr Überleben durch mutiges Handeln sichern. Die Szenen werden farbig ausgemalt und lassen die vergangene Zeit lebendig werden. Farbig wird es allerdings auch, wenn Paul als Versehrter heimkehrt. Hier kann die Autorin mit Medizingeschichte zur plastischen Chirurgie überzeugen.
Der zweite Teil der Trilogie um die Hafenschwester ist ein lesenswerter Roman über das Ende der Kaiserzeit in Hamburg. Die Figuren fügen sich glaubhaft in die Handlung ein, wobei sich fiktive und historisch belegte Charaktere ergänzen. Durch die intensive Recherchearbeit bekommt der Roman eine Fülle von wissenswerten Informationen. Während der erste Band mehr die Problematik der Stadt im Blick hatte, bekommt man im zweiten Teil einen Einblick, wie sich die Weltpolitik auf den einzelnen ausgewirkt haben muss. Der Roman endet im Jahr 1918, das bekanntlich auch den Rücktritt von Kaiser Wilhelm II. beinhaltet. Der Abschluss der Trilogie „Als wir an die Zukunft glaubten“ lässt somit erneut Turbulenzen erwarten. Er erscheint im September 2021.

Melanie Metzenthin lebt in Hamburg, arbeitet als Fachärztin für Psychiatrie und wurde mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet. Mit der Vergangenheit ihrer Heimatstadt fühlt sie sich ebenso verbunden wie mit der Geschichte der Medizin, was in vielen ihrer Romane zum Ausdruck kommt. »Die Hafenschwester. Als wir wieder Hoffnung hatten« ist der zweite Band einer Serie um die Krankenschwester Martha. (Quelle: Randomhouse)
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- Herausgeber: Diana Verlag
- Broschiert: 496 Seiten
- erschienen am 14. September 2020
- ISBN-13: 978-3453292444
Das Rezensionsexemplar wurde mir von der Autorin zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.
2 Gedanken zu “Hamburg im Ersten Weltkrieg”