Kinder ihrer Zeit - Cover

Gefahrvolle Nachkriegszeit

Kinder ihrer Zeit von Claire Winter

Die Zwillinge Emma und Alice sind elf Jahre alt als sie 1945 mit ihrer Mutter auf der Flucht von Ostpreußen nach Deutschland waren. Russische Soldaten waren auf dem Vormarsch nach Berlin und hinterließen eine Schneise der Verwüstung. Alice erkrankte und die kleine Familie wurde gezwungen, bei einer Bauersfrau Schutz zu suchen. Auf der Suche nach Lebensmitteln kamen Emma und ihre Mutter zu spät zurück und konnten nur noch von weitem mit ansehen, wie der Hof in Flammen stand. Im Glauben, dass Alice ums Leben gekommen sei, beeilten sie sich, nach Berlin zu kommen. Sie fanden im Westteil der Stadt ein neues Zuhause, ohne zu ahnen, dass Alice aus dem Haus gerettet wurde.

Emma konnte sich mit dem Tod ihrer Schwester nicht abfinden. Als sie fünf Jahre später auf einen Offizier stieß, der sie vertraulich und wie selbstverständlich auf Russisch ansprach, kombinierte sie, dass er sie wohl verwechselt haben muss. Emma stellt einen Suchantrag, von dem Alice erst Jahre später erfuhr. Erst 1957, nach zwölf Jahren des Getrenntseins, treffen sich die Zwillinge wieder. Beiden merkt man die unterschiedliche Erziehung an. Während Emma in West-Berlin ihre Freiheiten genießt, ist Alice vom Sozialismus überzeugt. Je mehr sie sich kennenlernen, desto deutlicher werden die Gesinnungen. Dennoch verliebt sich Emma in Julius, Wissenschaftler und Kollege von Alice im Institut, und Alice tröstet sich in einer Nacht bei Emmas Freund Max. Max ist außerdem Mitglied der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, die sich für Flüchtlinge aus Ostdeutschland einsetzt.

Berlin als Hochburg der Geheimdienste

Claire Winter widmet sind in diesem Roman der Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Mauerbau. Plausibel schildert sie, wie sich zwei Menschen mit gleicher Erbmasse nur durch das Aufwachsen im geteilten Berlin so unterschiedlich entwickeln können. Sie beschreibt gleichzeitig die Anfänge eines neugegründeten Staats mit einer mächtigen und dem Kapitalismus abgeneigten Allianz im Rücken. Man kann sich die Einflussnahme der sowjetischen Regierung und die wachsende Unzufriedenheit mit den steigenden Flüchtlingszahlen vorstellen. Gerade Wissenschaftler wurden dringend benötigt, wollte man doch mit den Atomwaffen aufrüsten. Aber gerade die gebildete Schicht setzte sich ins Ausland ab, wie Julius Freund Sigmund. An seiner Figur wird gezeigt, welche Methoden die Staatssicherheit gemeinsam mit dem sowjetischen Militär einsetzte, um Zwangsarbeit zu erpressen. Ebenso erhöhte sich der Druck auf die Bevölkerung, wenn sie Informationen für sich behielten. Im Roman wird diese Tatsache als Spannungselement eingesetzt.

Die Autorin beweist wieder einmal, dass sie wahre Themen mit fiktiven Figuren besetzen kann und damit den Blick auf die Deutsche Geschichte freigibt. Der Kalte Krieg war in den 70-er Jahren eine Bedrohung für die ganze Welt und manches werden sich später geborene Generationen vermutlich niemals vorstellen können. Der Weltkrieg hatte schon seine Spuren hinterlassen und nun wurde Berlin zur Zentralstelle von CIA und Staatssicherheit. Ein falsches Wort zur falschen Person konnte jahrelanges Zuchthaus bedeuten. Auch hier können die beiden Hauptfiguren Emma und Alice überzeugend ihre Seiten darstellen.

Kinder ihrer Zeit legt den Fokus auf die Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Schließen der innerdeutschen Grenze. 43 Kilometer zog sich die Mauer quer durch die Stadt und trennte nicht nur Familien, Freunde und Paare, sondern wirkte auch dermaßen auf sie ein, dass sie die jeweilige Seite der anderen vorzogen. Die Geschichte dreht sich um Zugehörigkeitsgefühl, Liebe, aber vor allem um Vertrauen und das Missbrauchen desselben. Der seitenstarke Roman ist viel zu schnell gelesen und hinterlässt ein gemischtes Gefühl von Erleichterung und Schrecken.

Leseprobe

Claire Winter - Autorin
© Foto Studio Urbschat Berlin

Claire Winter studierte Literaturwissenschaften und arbeitete als Journalistin, bevor sie entschied, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie liebt es, in fremde Welten einzutauchen, historische Fakten genau zu recherchieren, um sie mit ihren Geschichten zu verweben, und ihrer Fantasie dann freien Lauf zu lassen. Nach »Die Schwestern von Sherwood« folgten die SPIEGEL-Bestseller» Die verbotene Zeit« und »Die geliehene Schuld«. »Kinder ihrer Zeit« ist Claire Winters vierter Roman im Diana Verlag. Die Autorin lebt in Berlin. (Quelle: Randomhouse)


Streifis Bücherkiste hat ebenfalls eine Rezension geschrieben.


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  • Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
  • Herausgeber: Diana Verlag
  • ISBN-13 : 978-3453291959
  • erschienen am 27. Juli 2020

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