Die Strandvilla von Sina Beerwald
Sylt, 1913. Moiken Jacobsen ist erst 35 Jahre alt als ihr Mann Peter auf See bleibt. Da sein Erbe nicht geregelt ist, nutzt ihre Schwiegermutter die Chance, Moiken und ihre fünfzehnjährige Tochter Emma aus dem Haus in Keitum zu treiben. Es scheint fast wie eine himmlische Fügung, dass ihr der wohlhabende Hotelier Theodor von Langenfeldt eine Arbeitsstelle anbietet. Sie soll für ein großes Fest die süßen Nachspeisen anfertigen. Doch Moiken ist vor Jahren aus Westerland geflohen, nachdem man ihr unterstellt hat, verantwortlich für den Tod ihres Bruders zu sein. Zu allem Überfluss ist der ansässige Fotograf Boy ebenfalls ein Grund, um sich nie wieder im kleinen Fischerdorf sehen zu lassen. Als Moiken realisiert, dass ihr Fortkommen nur noch mehr Probleme bringen würde, entschließt sie sich zum Bleiben. Theodor ist charmant und schon bald hält er um ihre Hand an. Das Glück scheint vollkommen. Leider hält es nicht einmal bis nach der Hochzeitsnacht.
Sina Beerwald legt mit diesem Auftakt zu einer Trilogie nach langer Zeit mal wieder einen historischen Roman vor. Die Wahl-Sylterin hat sich eingehend mit der Geschichte der Insel befasst und damit ihre fiktiven Charaktere verwoben. Westerland entwickelte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts für die Touristen, die den gesundheitlichen Nutzen des Seebadens erkannten. Das schlechter zu erreichende Keitum verlor bald seine Stellung als Hauptort. Beerwald wählt für ihre Handlung die letzten Monate vorm Ausbruch des Großen Krieges, in dem die Nordseeinsel zum Militärstützpunkt wurde. Ihre Protagonistin lässt sie gleich im ersten Abschnitt alles verlieren. Ohne Bleibe und offensichtlich mit einem belastenden Geheimnis im Gepäck wird sie in allerletzter Minute am Verlassen von Sylt gehindert. Während Theodor sie umwirbt, muss Moiken sich immer wieder die angenehmen Zeiten mit Boy erinnern. Es beginnt ein Drama voller Eifersucht und Intrigen.
Rüm Hart, klaar Kiming
Der friesische Wahlspruch „Weites Herz, klarer Horizont“ ist ebenfalls im Roman verwoben. Im letzten Abschnitt wird die Historie der Insel aufgegriffen. Moiken hat ihren Platz im Leben gefunden und träumt davon, ein Café in einem Pavillon direkt am Strand zu eröffnen. Hochschwanger arbeitet sie versessen daran, dass zur Eröffnung alles optimal präsentiert werden kann. Ihr Herzblut steckt in diesem Projekt. Bald merkt der Leser, dass nicht alle Hindernisse zufällig entstehen. Spannend wie ein Krimi liest sich die Zeit von Mai bis August 1914. Realistisch wirkt auch die Meinungsbildung der Insulaner zur Politik. Antisemitische Parolen bestimmten bald, wer Gast in den noblen Hotels sein durfte. Mit den in diesem ersten Band angelegten Verbindungen nach Berlin verspricht es eine zeitgenössische Ansicht auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und dem Ende der Kaiserzeit in Deutschland.
Die Strandvilla ist ein mitreißender Roman, der wundervolle Beschreibungen sowie eine bisher unbeachtete Zeitspanne der Insel enthält. Die Figuren wurden lebendig gezeichnet, sodass sie auch nach vielen Kapiteln überraschen können. Man fühlt sich in die Epoche ein und hofft für die Protagonistin das Beste. Moiken steht stellvertretend für die zivile Bevölkerung, die sich der Zeit anpassen muss. Das Ende verspricht weitere atemraubende Momente dicht am Puls der Zeit.
In Streifis Bücherkiste wurde der Roman ebenfalls rezensiert.

Sina Beerwald, 1977 in Stuttgart geboren, studierte Wissenschaftliches Bibliothekswesen und hat sich bislang mit elf erfolgreichen Romanen einen Namen gemacht. 2011 wurde sie Preisträgerin des NordMordAward, des ersten Krimipreises für Schleswig-Holstein. 2014 erhielt sie den Samiel Award für ihren Sylt-Krimi »Mordsmöwen«.
Seit 2009 lebt und arbeitet die Autorin auf Sylt. (Quelle: Droemer-Knaur Verlag)
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- Taschenbuch: 464 Seiten
- Verlag: Knaur TB
- erschienen am 2. März 2020
- ISBN-13: 978-3426524121
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Knaur Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.
Tolle Rezension! Ich habe es auch noch liegen und freue mich da sehr drauf 🙂
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Vermutlich würde das Lesen auf Sylt das Gefühl noch verstärken.
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