Das Versprechen der Islandschwestern
von Karin Baldvinsson
Seit fast 70 Jahren haben die Schwestern Margarete und Helga kein Wort mehr miteinander gesprochen. Doch nun hat Helga eine Einladung zu ihrem 90. Geburtstag geschickt. Margarete beschließt, gemeinsam mit ihrer Enkeltochter Pia und deren Tochter Leonie nach Island zu fahren, wo sie 1949 ebenfalls eine neue Heimat suchte. Über die Vergangenheit verliert die Großmutter kein Wort, sodass Pia nichts über die damaligen Ereignisse weiß. Sie will den vierwöchigen Aufenthalt nutzen, um sich zu erholen und vielleicht mit ihrer Tochter wieder ins Gespräch zu kommen.
Karin Baldvinsson hat mit ihrem Roman auf zwei Zeitebenen ein interessantes Thema angestoßen. Als Hamburg nach dem Krieg in Trümmern lag, nahmen einige Frauen das Gesuch der Isländer an und halfen in der dortigen Landwirtschaft. Auf dem Passagierdampfer Esja reisten sie für ein Jahr zur Insel der Geysire. Den Frauen wurde Arbeit auf dem Land und ein Heim geboten, was sie im Nachkriegsdeutschland nicht hatten. Gleichzeitig war es ein Heiratsmarkt für die jungen Isländer. Die Schwestern geben den rund 300 Frauen ein Gesicht und lassen den Leser teilhaben, unter welchen Bedingungen sie sich ihr Leben neu ordneten. Kaum eine Frau sprach ausreichend Isländisch. Zudem ist das Klima so hoch im Norden anders als gewohnt. Rund acht Monate im Jahr ist es dunkel, sodass sich auch der Alltag anders gestaltet. Der Handlungsstrang um die jungen Auswanderinnen ist äußerst bildhaft und beschreibt die Situation nachfühlbar.
Die Gegenwart ist geprägt von unausgesprochenen Worten. Greta hat zwar die Einladung der Schwester angenommen, kann aber die damaligen Ereignisse nicht vergessen. Die beiden schleichen umeinander herum, ohne sich auszusprechen. Auch Pia und Leonie haben Differenzen, bei denen beide auf ihren Standpunkten beharren und sich keinen Schritt annähern. Pia ist nicht glücklich in ihrem Beruf, mit ihrer gescheiterten Ehe und mit ihrer Tochter offenbar an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Nur zögernd gesteht sie sich die Zuneigung zu dem attraktiven Pferdehofbesitzer Ragnar ein. Auch er hat eine Vergangenheit, die ihm zu schaffen macht, sodass sämtliche Beziehungen angespannt sind. Dabei sollte doch gerade dieser Teil die Emotionalität anregen.
Das Versprechen der Inselschwestern hätte ob der Themenwahl gut 100 Seiten mehr vertragen. Island hat eine bemerkenswerte Vergangenheit und ist mit der Historie durchaus einen Roman wert. Die Spannung wird lange Zeit von dem Zerwürfnis der betagten Schwestern getragen. Die Beweggründe der Figuren sind plausibel, wenngleich mal für meinen Geschmack zu früh ahnt, wie sich das Ende gestaltet.

Karin Baldvinsson wurde 1979 in Erlenbach am Main geboren. Während ihrer mehrjährigen Tätigkeit für einen isländischen Konzern hat sie ihr Herz an einen Isländer verloren. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Hamburg, doch die raue Insel wird immer ihre zweite Heimat bleiben. (Quelle: Ullstein Verlag)
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- Taschenbuch: 336 Seiten
- Verlag: Ullstein Taschenbuch
- erschienen am 2. Mai 2019
- ISBN-13: 978-3548060064
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Ullstein Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.