Mordermittlung unter erschwerten Bedingungen

Kühn hat Hunger von Jan Weiler

Martin Kühn ist mit seinem Leben nicht mehr zufrieden. In allen Bereichen hat sich langsam die Langeweile eingeschlichen und es muss sich dringend etwas verändern. Zuerst will er sich um seine Fitness kümmern. Ein Diätbuch mit der Methode Caparacq soll ihm dabei helfen. „Weck die Bestie, du Sau“ ist dabei der Titel. Der Kommissar ist zwar nicht ganz überzeugt, dass ein solches Vorgehen seinem Stil entspricht, aber etwas Besseres fällt ihm auch nicht ein. Gerade hat er auch einen Mordfall zu lösen. Eine Tänzerin wurde in einem Schacht gefunden, in den sie sicher nicht freiwillig eingestiegen ist. Schnell soll er eine Verhaftung erzielen, aber die reduzierte Kalorienzufuhr macht sich nach einigen Tagen bemerkbar.

„Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers.“

Der Münchner Kommissar hatte bereits zu tun, Ärger und nun also auch noch Hunger. Seine Frau Susanne scheint an ihm das Interesse verloren zu haben und die Kinder gehen allmählich ihre eigenen Wege. Mit Mitte 40 scheint der sonst immer in der vorderen Reihe stehende Kühn in eine Krise zu schlittern. Seine Abnehmbibel soll ihm zumindest die knackige Figur erhalten. Allerdings liest er dort fragwürdige Tipps zu Ernährung und Verhalten. Erfolg ist eben männlich, muss auch Kühn akzeptieren und folgt den Ratschlägen, um dies seiner Umwelt zu zeigen. Dabei agiert der Protagonist unfreiwillig komisch. Das Lachen beim Lesen ist eher verhalten und öfter kommt der Gedanke „oh-nein“. Jan Weiler verleiht seiner Figur eine eigene Stimmung, dass sie real erscheint.

Parallel zum Leben des Kommissars spielt sich eine andere Tragödie ab. Kurz nach Neujahr wird die Leiche einer professionellen Tänzerin in einem Betonschacht gefunden. Der Leser verfolgt die Tat mit und weiß, dass der junge Polizist Sebastian und der ältere Hartmut mit seiner Wut auf alle Frauen die Täter sind. Beide haben kein Glück mit Frauen und Sebastian fühlt durch diese Gemeinsamkeit sogar eine Art Freundschaft mit Hartmut. Dieser ist seit jeher ein Einzelgänger und man kann beim Lesen leicht nachvollziehen, wie diese innere Wut und Zerrissenheit wohl entstanden ist. Die Eltern bedienen die Klischees sowohl in der Erziehung als auch später bei den Befragungen. Der Fall ist dennoch plausibel aufgebaut. Er beginnt leise, um zum Schluss eine atemlose Spannung zu erzeugen. Martin Kühn schafft es obendrein, trotz oder wegen seiner Verunsicherung im Leben Sympathie zu gewinnen und man möchte ihm auf den letzten Seiten das Diätbuch wegnehmen und durch einen Schokoriegel ersetzen.

Martin Kühn ist ein durchschnittlicher Alltagsheld, der ab und zu mit sich hadert, seine Verantwortung gegenüber seiner Familie so gut wie möglich wahrnehmen und eben auch im Beruf Erfolge vorweisen will. Er hat Ziele, wie sie viele in seiner Generation haben. Damit hat er einen hohen Identifikationsfaktor, der mit einem spannenden Mordfall kombiniert wird. Der ruhige Krimi mit dem unterschwelligen Humor ist besonders lesenswert, wenn man es nicht so blutig mag. Der Autor trifft mit dieser Krimiserie den Zeitgeist der alltäglichen Anforderungen unserer Gesellschaft.

Leseprobe

© Tibor Bozi

Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ gehört zu den erfolgreichsten Büchern der vergangenen Jahrzehnte. Es folgten unter anderem: „Antonio im Wunderland“ (2005), „Mein Leben als Mensch“ (2009), „Das Pubertier“ (2014), „Kühn hat zu tun“ (2015), „Im Reich der Pubertiere“ (2016) sowie zuletzt „Und ewig schläft das Pubertier“ (2017) und „Kühn hat Ärger“ (2018). Jan Weiler verfasst zudem Hörspiele und Hörbücher, die er auch selber spricht. Jan Weiler lebt in München. (Quelle: Piper Verlag)


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  • Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
  • Verlag: Piper
  • erschienen am 1. Oktober 2019
  • ISBN-13: 978-3492058766

Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Piper Verlag über #netgalley zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.

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