Gehen oder bleiben?

Die Fotografin – Zeit der Entscheidung von Petra Durst-Benning

Der Weg der Wanderfotografin Mimi Reventlow führte sie im ersten Teil der Saga Die Fotografin – Am Anfang des Weges nach Laichingen. Dort kümmert sie sich jetzt um ihren an Tuberkulose erkrankten Onkel Josef und dessen Fotoatelier. Ihren Wunsch, als Wanderfotografin immer wieder neue Orte zu sehen, scheint sie aufgegeben zu haben. Die fortschreitende Technik der Kameras erfordert nicht mehr unbedingt einen Fotografen, sodass sich Mimi auf andere Möglichkeiten konzentrieren muss. Ihre Innovationen mit geänderten Öffnungszeiten des Ateliers stießen auf Proteste seitens der Behörde. 

Laichingen ist eine Weberstadt auf der Schwäbischen Alp, in der der Fabrikant Gehringer großen Einfluss hat. Mimis moderne Ansichten und pragmatische Lösungen sind ihm ein Dorn im Auge. Während er den Nachwuchs der Angestellten nach potentiellen Arbeitskräften prüft, fördert Mimi deren Talente. So verhilft sie Alexander zu einem Stipendium an der Kunstschule Stuttgart und greift auch bei anderen Problemen hilfreich ein. Langsam scheint sie diese Pläne verworfen zu haben. Vielmehr möchte sie im Dorf ansässig bleiben, um Johann näher zu sein. Doch Johann, den Mimi in Ulm als Hannes kennengelernt hatte, verfolgt ganz eigene Ziele. 

Petra Durst-Benning schließt mit diesem Roman zeitlich nahtlos an den Vorgänger an. Auch die aufgenommenen Fäden aus dem ersten Band werden jetzt verknüpft. Während Mimi in Am Anfang des Weges als Wanderfotografin immer wieder neue Herausforderungen fand, wird sie dieses mal sesshaft. Sie träumt von einem Heim mit ihrem Liebsten und versucht, in Laichingen heimisch zu werden. Josef, ihr Onkel, braucht ihre Hilfe sowohl im Atelier als auch in der Pflege. Die Zeit und die gesellschaftlich übliche Auffassung, wie die Familie in solchen Fällen agieren sollte, werden hier ohne viele Worte spürbar. Die damals schon unterschiedliche Lebensweise zwischen Stadt und Land wird hervorgehoben und mit den Wünschen der jüngeren Generation verknüpft. Am Beispiel von Anton und Alexander wird eine Möglichkeit eingeflochten, welche Möglichkeiten die Jungen hatten. Traditionen und Rollenverteilung in den Familien haben einen hohen Stellenwert und nur wenige lehnen sich dagegen auf. Mimi als alleinstehende berufstätige Frau war seinerzeit die Seltenheit.

Der Wandel in der Fotografie fließt ebenfalls mit ein. Mit der fortschreitenden Technik war es bald auch Laien möglich, schöne Landschaftsfotografien anzufertigen. Die Aufträge für Mimi blieben aus. Vielmehr konzentriert sie sich darauf, ihren Kunden schöne Erinnerungen an besondere Ereignisse wie Taufe oder Konfirmation zu schenken. Sie versucht es über eine veränderte Öffnungszeit ihres Ateliers, kommt aber bald mit den geltenden Gesetzen in Konflikt. Aus der Not heraus nimmt sie den Auftrag ihres Widersachers Gehringer an und fotografiert die Weißwäsche für seinen Jubiläumskatalog. Auch das entspricht dem Geist der Zeit. Mimi erhält so allerdings einen Einblick in die Fertigung von Weißwäsche in der Weberei, die die Unternehmer lieber für sich behalten hätten. Die Autorin beschreibt nicht nur die Fertigung, die immer schneller und in immer höheren Stückzahlen erfolgen sollte, sondern auch die damit verbundenen Arbeitsbedingungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Der Erzählstil ist wie gewohnt bildhaft. Schon nach wenigen Seiten ist man im Jahr 1911 und kann sich die Umgebung mit den agierenden Charakteren vorstellen. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren sind spannungsgeladen, sodass auch die Dramatik des Romans gefällig ist. Alles zusammen bewirkt natürlich, dass man das Buch viel zu schnell ausgelesen hat. Wie schon im ersten Band um Mimi ist auch hier wieder ein ausführlicher Anhang vorhanden, der zum einen die Fotokunst abbildet und zum anderen Erklärungen über die Leinenweberei enthält. Die Reihe wird fünf Bände umfassen. Somit habe ich den Cliffhanger bereits erwartet als sich die Situation am Ende zuspitzte und nur noch so wenige Seiten übrig waren. Zum Glück fand ich auch eine Leseprobe zum dritten Teil mit dem Titel Die Fotografin – Die Welt von morgen auf den letzten Seiten. Wir dürfen uns also auf ein Wiedersehen mit Mimi und einigen Laichingern freuen. 

Leseprobe

Im Rahmen der Aktion #litlovehistory im Dezember 2018 hat auch Anya von BücherinmeinerHand den Auftakt der Serie Die Fotografin – Am Anfang des Weges im rezensiert.


© Privat

Petra Durst-Benning wurde 1965 in Baden-Württemberg geboren. Seit über zwanzig Jahren schreibt sie historische und zeitgenössische Romane. Fast all ihre Bücher sind SPIEGEL-Bestseller und wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. In Amerika ist Petra Durst-Benning ebenfalls eine gefeierte Bestsellerautorin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Hunden südlich von Stuttgart auf dem Land. (Quelle: Randomhouse)


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  • Hardcover mit Schutzumschlag, 512 Seiten
  • bebilderter Anhang in s/w
  • Verlag: Blanvalet
  • ISBN: 978-3-7645-0663-6
  • erschienen am  8. April 2019

Reihenfolge des Mehrteilers:

  1. Die Fotografin – Am Anfang des Weges
  2. Die Fotografin – Die Zeit der Entscheidung
  3. Die Fotografin – Die Welt von morgen

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