Meistens kommt es anders, wenn man denkt von Petra Hülsmann
Für Nele kam es in letzter Zeit Schlag auf Schlag. Zuerst verliert sie ihren langjährigen Freund an ihre Freundin, dann muss sie sich auch noch einen neuen Job suchen, weil ihr Ex nämlich auch ihr Kollege ist. Zum Glück hat sie nun einen Arbeitsplatz in ihrer Wunschagentur bekommen, in der sie sich auch schnell integriert hat. Ihre Eltern überraschen sie mit der Ankündigung, dass sie endlich heiraten wollen, Lenny hat eine Liebste gefunden und bei Bürohund Sally holt sie sich die notwendigen Streicheleinheiten. Alles scheint also besser zu werden. Aber irgendwas ist ja immer und in diesem Fall ist es ein egoistischer Kollege, bei dem Nele erst noch das Nein-Sagen lernen muss.
Petra Hülsmann rückt in ihrem sechsten Roman die Nebenfigur Nele aus Wenn’s einfach wär, würd’s jeder machen in den Vordergrund. Die Figuren aus dem Vorgängerroman müssen allerdings nicht bekannt sein. Der Roman ist eine eigenständige Geschichte. Nele wohnt mit ihrer Freundin Anni zusammen, mit der sie bei aufkommendem Herzschmerz immer eine Ansprechpartnerin hat. In der Agentur vertraut man ihr größere Projekte an, sodass sie gut beschäftigt ist. Sie ist aber auch die ältere Schwester von Lenny, der das Down-Syndrom hat. Lenny wurde von seinen Eltern intensiv gefördert und hegt nun den Wunsch, sein Leben allein zu meistern. Die Bedenken seiner Eltern soll Nele zerstreuen. Unverhofft kommt Hilfe von Claas, Neles zweitem Chef, der nicht nur ausgesprochen attraktiv ist, sondern auch noch einen knuffigen Hund hat.
Die komplexe Handlung folgt einem roten Faden. Die Ereignisse konzentrieren sich auf Neles Leben und werden stets glaubhaft dargestellt. Mit dem Roman soll man sich wohlfühlen, von daher muss auch mit mehr Zuckerguss dekoriert werden. Die ernsthaften und weitreichenden Probleme von Lenny werden dagegen bewegend und von mehreren Seiten dargestellt. Man fühlt sich leicht ein und versteht sowohl seinen Wunsch nach einem unabhängigen Leben als auch die Sorge seiner Familie, die ihn bis dato vor der Welt beschützt haben. Lenny ist immer von den Eltern gefördert worden, sodass er mit seiner Behinderung durchaus in einer Wohngemeinschaft leben könnte. Der dezente Appell an die Politik, diese Gruppe Menschen nicht zu vergessen, hat ebenfalls seine Berechtigung.
Eine sympathische Nebenfigur ist Taxifahrer Knut. Er steht mit beiden Beinen fest im Leben und trifft die Situationen mit seinen Weisheiten punktgenau. Das Leben ist eben keine Hüpfburg, wo du eine dicke Matratze unterm Hintern hast. Nee, Knut, fürwahr nicht. Auch Nele musste lernen, dass man es nie allen recht machen kann und um sein Glück kämpfen muss. Viel zu oft hat sie ihre Wünsche hintenan gestellt und Rücksicht auf die Bedürfnisse ihres Umfeldes genommen. Der lockere Schreibstil passt genau dazu und man muss unweigerlich schmunzeln, wenn er sinnierend durch die belebten Straßen Hamburgs fährt.
Der Roman erinnert mich wie eine sorgfältig ausgewählte Naschitüte, die sich Lenny gönnt. Die bittere Trennungsgeschichte wird mit der zuckrigen neuen Liebe ausgeglichen und manch bittere Realität mit Lebensweisheiten gewürzt. Es ist von allem etwas drin und das aber so dosiert, dass es nicht den Geschmack verdirbt. Er bekommt definitiv eine Leseempfehlung.

Ende Mai hatte eine ausgewählte Gruppe von Bloggern die Gelegenheit, mit Petra Hülsmann ein paar Schauplätze ihres Romans zu besuchen. Wir waren im Hafen und im Portugiesenviertel. Vielen Dank an den Bastei Lübbe Verlag für die tolle Organisation.

Petra Hülsmann, Jahrgang 1976, wuchs in einer niedersächsischen Kleinstadt auf. Nach einem erfolgreich abgebrochenen Studium der Germanistik und Kulturwissenschaft arbeitete sie in Anwaltskanzleien und reiste sechs Monate mit dem Rucksack durch Südostasien, bevor sie mit ihren Romanen die Beststellerliste eroberte. Petra Hülsmann lebt mit ihrem Mann in Hamburg. (Quelle: Bastei Lübbe Verlag)
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- Taschenbuch: 512 Seiten
- Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch)
- erschienen am 31. Mai 2019
- ISBN-13: 978-3404178230
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Bastei Lübbe Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.