Licht und Schatten in Cornwall

Das Leuchten jenes Sommers von Nikola Scott

Chloe MacAllister hatte schon ewig nicht mehr als Fotografin gearbeitet, als sie den Auftrag erhält, die Autorin Madeleine Hamilton auf ihrem Anwesen Summerhill in Cornwall zu fotografieren. Ihr Mann Aidan ist Arzt und möchte seine Frau im gemeinsamen Zuhause wissen. Was zunächst wie ein Traum schien, ist für Chloe nun ein goldenes Gefängnis geworden. Aidan entscheidet an ihrer Stelle, mit wem sie sich trifft und wann sie das Haus verlässt. Seine Eifersucht geht sogar so weit, dass sie wegen des Auftrags nicht mit dem Auftraggeber telefonieren soll. Sogar um ihren an ALS erkrankten Bruder Danny soll sie sich nicht mehr kümmern. Mit letzter Willenskraft entzieht sich Chloe seinem Einfluss, nimmt den Fotoauftrag an und flüchtet nach Summerhill.

Die betagte Madeleine hat ebenfalls eine bewegende Geschichte zu erzählen. Schon früh verlor sie ihre Eltern und lebte mit ihrer älteren Schwester Georgiana und ihrer Tante Marjorie in Summerhill. Sie liebt es zu zeichnen und denkt sich fortwährend Geschichten für Kinder aus. Sie hält diese in einem Skizzenbuch fest. Georgiana bereist in diesem Sommer Europa und kehrt mit einigen Freunden zurück. Es sind nur Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Der Mann, den sie als ihren Verlobten vorstellt, kommt Maddy suspekt vor. Sie wird aber durch einen Flugzeugabsturz abgelenkt, der ganz in der Nähe passiert. Der Pilot kann sich bis in ihr Bootshaus retten, wo ihn Maddy versorgt. Seine Bergung aus dem Meer erinnert sie allerdings an ihren Vater, der es leider nicht lebend schaffte.

Nikola Scott wagt sich in ihrem zweiten Roman an ein großes Thema. Auf zwei Zeitebenen stellt sie die verschiedenen Formen der Liebe zwischen zwei Menschen dar. Zum starken Gefühl der Liebe gehört zweifellos auch der Hass, der sich oft durch körperliche Gewalt äußert, aber auch in subtiler Qual. Oft lässt sich der Auslöser nicht mehr definieren, wann eine große Liebe in Hass umschlägt. Nicht immer sind es Paare, die sich am Ende misshandeln. In jeder Art der Beziehung kann es dazu kommen. Maddy und Georgie verbindet eine Geschwisterliebe wie sie auch Chloe und Danny erleben. Man ist füreinander da, besonders wenn einer Krankheit oder Unfall gehandicapt ist. Diese Nächstenliebe ist gesellschaftlich hoch angesehen. Nicht immer ist erkennbar, ob sich die Beteiligten auch wohlfühlen.

Weniger angesehen ist es, wenn Liebe mit Gewalt einhergeht. Aidan hat offensichtlich enorme Verlustängste, die ihn dazu treiben, Chloe die selbstverständliche Freiheit zu nehmen. Unter dem Deckmantel der Liebe verletzt er sie körperlich und psychisch. Auch Maddy musste vor 70 Jahren einiges an Gewalt aushalten. Der Verlust ihrer Eltern schmerzte sie, weswegen sie umso heftiger an ihrer Schwester hing. Diese fühlte sich schnell überfordert und suchte den Freiraum außerhalb des Zuhauses. Durch ihre Freunde erhofft sie sich nicht nur den nötigen Abstand, sondern auch Ablenkung. Der tragische Vorfall Ende August verändert allerdings das Leben aller.

Dieses Ereignis wird immer wieder angedeutet, wenn es um Maddy geht. Die Spannung wird dadurch gesteigert, weil man ja wissen möchte, was passiert ist. Es werden schnell die Sympathien zwischen den Figuren aufgeteilt und man drückt den Frauen die Daumen, dass sie sich aus den Fesseln befreien können. Beide sind Kinder ihrer Zeit. Maddy lebte in den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts und ordnete sich dementsprechend den Wünschen anderer unter. Chloe ist schon deutlich eigenständiger. Aidan muss zu drastischeren Maßnahmen greifen, um ihren Willen zu brechen. Beide Stränge wirken authentisch, auch wenn man hoffentlich keine eigenen Erfahrungen zum Thema gemacht hat.

Der fiktive Gesellschaftsroman zeigt die Verbindungen zwischen den Menschen, die die gesamte Fülle an Emotionen umfassen. Davon profitiert die Dramaturgie der Handlung und es entwickelt sich ein Sog. Die pittoreske Landschaft Cornwalls wird zum explosiven Minenfeld. Nach Zeit der Schwalben ist dieses Buch ebenfalls ein Lesetipp.

Leseprobe

Auf der #LBM19 traf ich Nikola Scott, um mit ihr über Das Leuchten jenes Sommers zu plaudern. Was sie dazu und über das nächste Projekt verriet, hört ihr im

Podcast

Eine andere Meinung lest ihr bei Eulenmatz-liest.


© Shelley DeJager



Nikola Scott ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Nach dem Studium arbeitete sie jahrelang in verschiedenen Verlagen in Großbritannien und den USA. Sie lebt inzwischen mit ihrer Familie in Frankfurt. Bei Wunderlich erschien von ihr bereits „Zeit der Schwalben“. (Quelle: Rowohlt Verlag)




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  • Gebundene Ausgabe: 496 Seiten
  • Verlag: Wunderlich
  • erschienen am 16. April 2019
  • ISBN-13: 978-3805200387

Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Rowohlt Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.

3 Gedanken zu “Licht und Schatten in Cornwall

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