Eine Woche auf engstem Raum zusammen

Sieben Tage wir von Francesca Hornak

Olivia Birch kehrt gerade von einem Einsatz als Ärztin aus Liberia zurück. Es besteht der Verdacht, dass sie mit dem ansteckenden Haag-Virus infiziert ist, sodass sie nun für eine Woche in Quarantäne muss. Jeglicher Kontakt außerhalb der Familie muss vermieden werden. Es bleibt ihr also nichts anderes übrig, als die nächsten sieben Tage im abgeschiedenen Norfolk zu verbringen, wo das Familienanwesen Weyfield Hall ist. Sich mal eine Woche nur um die Familie kümmern und diese Zeit ohne Verpflichtungen genießen. Der Traum von vielen fühlt sich für die Birchs wie eine Ewigkeit an, denn jeder von ihnen verheimlicht etwas.

Francesca Hornak schildert in ihrem Debütroman eine Familie, die schon lange nur ihren eigenen Interessen nachgeht. Olivia ist die ältere der beiden Schwestern und möchte durch ihre Arbeit die Welt zu einem besseren Ort machen. Phoebe dagegen arbeitet nur so lange, bis sie einen Mann heiraten kann, der genug Geld für beide verdient. Mit ihrem aus wohlhabender Familie stammenden Verlobten George scheint ihr das gelungen zu sein. Die Hochzeit soll schon im nächsten Jahr stattfinden und Phoebe kann schon von nichts anderem mehr reden. Olivia ist frisch verliebt in Sean, einem irischen Arzt, mit dem sie in Liberia zusammen gearbeitet hat. Als sich bei ihm die ersten Symptome des tödlichen Virus zeigen, verfolgt Olivia die Ereignisse ohnmächtig aus der Ferne.

Emma bekommt von ihrem Arzt die Diagnose Krebs mitgeteilt und entscheidet sich, ihre Familie vor dem Fest nicht mit dieser traurigen Nachricht zu belasten. Sie will die Tage der Quarantäne lieber nutzen, um noch einmal – vielleicht ein letztes Mal – ein stimmungsvolles Fest im Kreis ihrer Lieben zu verbringen. Davon erzählt sie lediglich einem jungen Reisenden auf dem Flughafen während sie auf Olivia wartet. Sie ahnt nicht, dass Jesse noch eine Rolle in ihrem Leben spielen wird. Zu gleicher Zeit erhält nämlich ihr Ehemann Andrew einige E-Mails, in denen ein 24jähriger Mann behauptet, sein unehelicher Sohn zu sein. Aber Andrew möchte sich dieser Verantwortung nicht stellen und schweigt beharrlich. Als Restaurantkritiker ist es für Jesse allerdings ein leichtes, ihn ausfindig zu machen.

Die Figuren werden bemerkenswert deutlich beschrieben und haben eine eigene Stimme. Mit jedem kann man mitfühlen und die Handlungen sind nachvollziehbar. Dafür, dass derartig wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen und schwerwiegende Veränderungen bevorstehen, hält sich der nervliche Aufruhr allerdings in Grenzen. Es ist eher der britische Umgang mit Konfrontationen, der hier die Geschichte vorantreibt. Dennoch bildet die Familie eine Einheit, deren Beziehungen untereinander die Spannung ausmacht. Als Leser fühlt man sich dermaßen eingebunden, dass man auch wissen will, wie sich die jeweils Beteiligten entscheiden.

Die ländliche Gegend Norfolks im Norden Englands wird nicht übermäßig bildhaft beschrieben. Man kann sich das große Haus vorstellen, dem ein paar Renovierungsarbeiten guttun würden, und den weitläufigen Park bis zur Grundstücksmauer. Der leichtgängige Schreibstil ist dazu passend gewählt. Man hält sich nicht zu lange an einzelnen Punkten auf. Mit jedem Kapitel wechselt man die Perspektive und erhält somit Einblick in das jeweilige Gefühlsleben der fünf Charaktere. Stück für Stück setzt sich dadurch das Gesamtbild zusammen und selbst für die oberflächlich erscheinenden Figuren kann man nun Verständnis aufbringen. Hier hat jeder hat seine Berechtigung, um die verfahrene Situation aufzulösen.

Auch wenn die Geschichte am 23. Dezember beginnt und die Ereignisse einer Woche beschreiben, ist es kein klassisches Weihnachtsbuch. Vielmehr ist es ein Entwicklungsroman, der vor der Kulisse des Festes stattfindet. Eine Familie, die den Zusammenhalt viel zu lange hat schleifen lassen, wird nun auf engstem Raum mit den bedrückendsten Nachrichten überhäuft. Man muss kein Psychologe sein, um hier extreme Reaktionen vorherzusehen. Aufgrund ihrer Tätigkeiten lässt sich allerdings früh erkennen, dass tief verborgen der Wunsch nach Nähe sein muss. Lesenswert ist der Weg, den jeder einzelne wählt. Die passende Lesezeit für diesen Roman ist bestimmt die dunkle Jahreszeit. Eventuelle Anregungen, das eigene Fest zu verändern, können so auch gleich umgesetzt werden.

 

Leseprobe


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  • Broschiert: 464 Seiten
  • Verlag: Ullstein Taschenbuch
  • erschienen am 12. Oktober 2018
  • ISBN-13: 978-3548290898
  • Originaltitel „Seven days of us“
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Ullstein-Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung wurde dadurch nicht beeinflusst.
© Billie Scheepers

Francesca Hornak ist Journalistin und schreibt für »The Sunday Times«, »The Guardian«, »Grazia« und »Stylist«. »Sieben Tage wir« ist ihr Debütroman und war in Großbritannien ein riesiger Publikumserfolg.

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